BERLINER MORGENPOST: Friedrich der Große ist mehr als Geschichte
Geschrieben am 23-01-2012 |
Berlin (ots) - Mit der Geschichte des eigenen Volks ist es wie mit
der Familie: Man kann sie sich nicht aussuchen; man muss sie nehmen,
wie sie ist. Im Guten wie im Bösen. Selbst nach Jahrhunderten. Der
Preußenkönig Friedrich II., im 19. Jahrhundert zum Großen befördert,
ist ein schönes Beispiel dafür. Ein Monarch mit zwei Gesichtern. Als
Philosoph eine Ausnahmeerscheinung schon zu Lebzeiten, der der
Aufklärung, also den Prinzipien von Vernunft, Toleranz, Freiheit und
Gerechtigkeit nicht nur das Wort redete. Er setzte sie - freilich in
Grenzen - als erster Herrscher in Europa auch durch. Pflichterfüllung
als preußisches Führungsprinzip kam hinzu und gipfelte im Anspruch
des "Alten Fritz", erster Diener seines Staates zu sein. Es gibt aber
auch den anderen Friedrich; den ziemlich skrupellosen Machtpolitiker.
Ein Feldherr und Schlachtenlenker, der weder Risiken scheute noch
Menschenleben schonte, um aus dem Flickenteppich Preußen in den drei
Schlesischen Kriegen eine europäische Großmacht neben Frankreich,
Russland, Österreich und England zu formen. Diese Sucht nach Macht
und Ruhm gehört ebenso zu Fridericus Rex und drückt die Ambivalenz im
Charakter des bedeutendsten Königs Preußens aus, der uns bis heute
wie kein anderer fasziniert. Heute vor 300 Jahren erblickte er in
Berlin das Licht der Welt. Über die Zeitläufe standen mal seine
reformerischen Tugenden, mal seine kriegerischen Ambitionen im
Zentrum der Betrachtungen. Weder das eine noch das andere für sich
genommen wird ihm gerecht. Die verkrampften Urteile über den
Monarchen schwanden denn auch noch während der Teilung Deutschlands,
als die SED-Führung den lange Jahre verunglimpften Friedrich am Forum
Fridericianum Unter den Linden wieder auf den Sockel hob. Seitdem ist
er anerkanntes, zumindest respektiertes gesamtdeutschen Erbe. Keiner,
der im Herzen Berlins oder in Potsdams Schlössern und Gärten auf den
Spuren des heutigen Geburtstagskönigs wandelt, kann sich der
Faszination entziehen, die mit seiner Person und Geschichte verbunden
ist. Zugleich sind es die von ihm vorgelebten Werte, die in unserer
hedonistisch geprägten Welt eine Renaissance erleben.
Pflichterfüllung, Bescheidenheit im Amt, dem Staate, was des Staates
ist (aber auch nicht mehr), Toleranz - das sind Prinzipien, nach
denen wieder Sehnsucht herrscht in der Gesellschaft. Zu Recht. Es ist
kein Zufall, dass vielleicht etwas langweilige, aber verlässliche,
pflichtbewusste Politiker wie Thomas de Maizière oder Angela Merkel
mit den preußischen Tugenden in Verbindung gebracht werden und
deshalb mehr Respekt und Vertrauen genießen als andere. Auch unserem
Staatsoberhaupt sei empfohlen, sich ein bisschen mehr für den König
zu interessieren, in dessen Bruders Haus er residiert. Nur ein
Drittel der Deutschen weiß noch, dass Friedrich der Große ein
preußischer König war. Das wird sich am Ende dieses Jahres mit den
Ausstellungen, Schauen und Lesungen ihm zu Ehren hoffentlich ändern.
Wir haben in unserer Geschichte nicht so viele Könige, Kanzler oder
Präsidenten, von denen wir auch heute noch etwas lernen können.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chefin vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
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