BERLINER MORGENPOST: Diktator Assad ist nicht so verloren, wie es scheint
Geschrieben am 07-02-2012 |
Berlin (ots) - Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat
zugeschlagen. Zwei Exil-Syrer - "mutmaßliche Spione" heißt es
politisch und juristisch korrekt - wurden festgenommen, einer 47, der
andere 34 Jahre alt. Beide sollen für den syrischen
Auslandsgeheimdienst gearbeitet haben. Man hat sie offenbar seit
Langem beobachtet und - wie in solchen Fällen üblich - abgehört, um
ihre Netzwerke aufzurollen. Auch einige Angehörige der Botschaft mit
Diplomatenpass gehören zum Kreis der Verdächtigen. Unter Leitung der
Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wurden 70 Beamte des
Bundeskriminalamts und des Berliner Landeskriminalamts eingesetzt.
Die hohe Zahl spricht dafür, dass es mit den zwei Hauptverdächtigen
nicht getan war. Weiterführende Informationen wurden bisher nicht
gegeben. Erstaunlich ist die Sache nicht. Der Befund bestätigt nur,
was Erfahrung und Beobachtung auch bisher schon gebracht haben.
Wahrscheinlich gibt es, nach heutigem Erkenntnisstand, Dutzende von
Aktiven aus Syrien und dazu Hunderte, die im Jargon der Geheimdienste
"Schläfer" heißen. Sie tun harmlos, schaffen sich eine glaubwürdige
"Legende", passen sich ihrer Umgebung an und warten auf ihren
Einsatz. Es kann durchaus sein, dass die bürgerkriegsartigen Kämpfe
in Syrien zu verstärkter Spionageaktivität geführt haben, zu
Gruppenkämpfen und Verrat. Man weiß es nicht. Die deutsche
Ausländerstatistik registriert mehr als 30000 syrische
Staatsangehörige. Das syrische Regime ist indes nicht so verloren,
wie es scheint. Baschar al-Assad, Diktator in der zweiten Generation,
stützt sich auf die schiitische Minderheit der Alawiten. Sie stellen
die Führung von Polizei, Armee und den zahlreichen Geheimdiensten und
sind auf Gedeih und Verderb mit dem Regime verbunden. Sie sind über
das Band der Religion geistesverwandt mit dem schiitischen
Priester-Regime des Iran, das Waffen, Ausbildung und politische
Unterstützung liefert. Die Minderheiten machen etwa 40 Prozent der
Bevölkerung aus, darunter ist jeder Vierte Alawit. Für sie geht es
nach der Spruchweisheit "Besser der Teufel, den wir kennen ...".
Assad schützt sie vor der Rache der 60 Prozent Sunnis, aus denen sich
die Opposition rekrutiert, am wichtigsten darunter die im Untergrund
arbeitenden Muslimbrüder, die der Dynastiegründer Hafiz al-Assad 1981
in Hama zusammenschießen ließ. 20.000 Menschen oder mehr sollen
damals massakriert worden sein. Unter der Oberfläche der syrischen
Diktatur hat sich, seit der ältere Assad geputscht hatte, vielfacher
Zorn, Rachebedürfnis und religiöser Protest angehäuft. Diese Kräfte
unter Kontrolle zu halten, in Syrien wie im Ausland, gilt dem Regime
als Staatsräson und Überlebensbedingung. Dass in Berlin, wie auch in
anderen deutschen Städten, Aktivisten des Regimes tätig sind, ist so
wenig erstaunlich, wie dass sie gerade gegenwärtig alles tun, um die
Bildung einer äußeren bewaffneten Opposition zu verhindern. Es gibt
Grund zu der Annahme, dass die Bundesanwaltschaft - die sich
grundsätzlich nicht mit kleinen Fischen befasst - mit diesen zwei
Verhaftungen auf den Busch klopfen wollte, damit weitere
Assad-Mitarbeiter herauskommen.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chefin vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
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