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Börsen-Zeitung: Uneins, ob uneins, Kommentar zum Eurosystem von Stephan Balling

Geschrieben am 08-03-2012

Frankfurt (ots) - Es ist grotesk: Bei Gesprächen mit Bundesbankern
verschiedenster Hierarchiestufen gewinnt man stets den Eindruck, die
deutschen Währungshüter stehen im Eurosystem der Zentralbanken (ESZB)
in vielen Fragen alleine da, sind isoliert. Doch dann erklärt
EZB-Präsident Mario Draghi jeden Monat auf seiner Pressekonferenz,
wie harmonisch alles zwischen ihm und Bundesbankpräsident Jens
Weidmann sei. EZB und Bundesbank sind also offenbar sogar in der
Frage uneins, ob sie uneins oder eins sind.

"Die Beziehung zu Jens ist exzellent", erklärte Draghi am
Donnerstag. Niemand sei isoliert. Der gesamte EZB-Rat stünde für
Stabilität. Alle dächten auch über die wachsenden Target-2-Salden
nach, also die viele hundert Milliarden Euro schweren
Ungleichgewichte im Eurosystem, auf deren Gläubigerseite vor allem
die Bundesbank steht. Auch mit Ex-EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark sei
alles im Reinen, über dessen Kritik an einer "schockierenden
Qualität" der ESZB-Bilanz äußert Draghi Unverständnis. Schließlich
habe Stark noch im Dezember für die jüngsten Dreijahreskredite der
EZB gestimmt.

Wem soll man nun glauben? Zwar mag auch die Bundesbank nicht immer
nur Fairplay und manchmal gar Foul spielen, aber unterm Strich
scheint doch vor allem Draghi die Öffentlichkeit an der Nase
herumzuführen. Stichwort Stark: Glaubt man dem
Ex-Direktoriumsmitglied, wird über geldpolitische Entscheidungen
nicht abgestimmt, der EZB-Präsident stellt lediglich "Einstimmigkeit"
oder "Konsens" (bei expliziten Gegenstimmen) fest. Stark hat demnach
nicht explizit für den Dreijahrestender gestimmt, höchstens nicht
dagegen. Noch wichtiger: Die Bundesbank - und wohl auch Stark - haben
vor allem dagegen votiert, dass die EZB bei den Langfristgeschäften
so laxe Sicherheiten und keinen Zinsaufschlag verlangt. Dass Draghi
diese Details weglässt, erinnert an die Chuzpe früherer
Bundespräsidenten, die über ihre Kreditbeziehungen befragt wurden.

Aber das kennt man von der EZB: Da werden Staatsanleihen gekauft,
was für die meisten Ökonomen eindeutig indirekte Staatsfinanzierung
ist. Doch die EZB begründet die Käufe mit einer Störung des
geldpolitischen Transmissionsmechanismus, ohne zu erklären, worin
konkret diese Störung besteht. Aufgrund dieser Ungereimtheiten in der
EZB-Kommunikation genießt die Bundesbank jedenfalls eine wesentlich
höhere Glaubwürdigkeit als die EZB. Man sollte folglich eher davon
ausgehen, dass die deutschen Währungshüter die Wahrheit sagen und
tatsächlich im Eurosystem nicht mehr viele Freunde haben.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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