Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Parteien/Wahlkampf von Reinhard Zweigler
Geschrieben am 19-03-2012 |
Regensburg (ots) - Deutschland erlebt schon vor der -
voraussichtlichen - Bundestagswahl im September 2013 eine Art
Vorwahlen. Und das eigentlich Überraschende daran ist nicht der
vorgezogene Urnengang im bevölkerungsreichsten Bundesland
Nordrhein-Westfalen in sieben Wochen, sondern die Qual nahezu aller
Parteien mit dem geeigneten Spitzenpersonal. So viel Konfusion vor
wichtigen Wahlen war selten. Vielleicht haben auch die peinliche
Affäre Wulff sowie die strahlende Wahl von Joachim Gauck zum neuen
Bundespräsidenten die Malaise bei den Parteien etwas überdeckt. Nun
treten deren Probleme offen zutage. Um das Spitzenpersonal sieht es
fast überall nicht gut aus, nimmt man die unumschränkt regierende
Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel einmal aus. Das
SPD-Dreigestirn möglicher Kanzlerkandidaten - Gabriel, Steinmeier,
Steinbrück - sieht gegen die Ostdeutsche kein Land. Beispiel CDU in
Nordrhein-Westfalen. Landeschef Norbert Röttgen, im Hauptberuf
Bundesumwelt und Energiewende-Minister, will allen Ernstes mit einer
offenen Flanke in den Wahlkampf ziehen. Ob er auch im Fall einer
Wahlniederlage in den Düsseldorfer Landtag gehen werde, lässt Röttgen
offen. Druck der CDU-Spitze hin, Druck des eigenen Landesverbandes
her. Dabei hätte der blitzgescheite Röttgen doch von der
Grünen-Spitzenfrau Renate Künast lernen können. Die
Ex-Landwirtschaftsministerin war im vergangenen Jahr hochtrabend in
den Berliner Wahlkampf eingestiegen. Aber sie wäre nur als Regierende
Bürgermeisterin in die Landespolitik gewechselt. Die Wähler haben
solche Schönwetter-Spitzenkandidaten allerdings satt. Künast landete
weit abgeschlagen hinter dem SPD-Mann Klaus Wowereit. Ähnlich
verworren wie in der NRW-CDU geht es an der Bundes-Spitze der Grünen
zu. Eigentlich wollte Jürgen Trittin, nach dem Abgang des heimlichen
Grünen-Chefs Joschka Fischer, die Nummer 1 der Umweltpartei, die
Spitzenkandidatur für 2013 übernehmen. Doch dagegen regt sich grüner
Frauen-Power-Widerstand. Claudia Roth warf einfach ihren Hut in den
Ring. Auch die beiden anderen Spitzenkandidaten-Kandidaten Renate
Künast und Cem Özdemir knurren. Sollte sich das Grünen-Quartett nicht
einigen, könnte es zu einer Urwahl der grünen Spitzenfrau oder des
Spitzenmannes für 2013 kommen. Eine Mitgliederbefragung wäre ein
Deckmantel für die Unfähigkeit der grünen Parteispitzen, einen
Konsens herbeizuführen. Bei den siechenden Freidemokraten sieht es
freilich nicht besser aus. Die Spitzenkandidatur für NRW machte ein
Dreigestirn mit dem pfiffigen Christian Lindner gleich unter sich
aus. Der, man muss wohl sagen Noch-Parteichef, Philipp Rösler wurde
schon gar nicht mehr beteiligt. Für die FDP gibt es jetzt nur noch
eines: Mit zugkräftigen Leuten, wie eben Lindner oder dem
schleswig-holsteinischen Spitzenmann Wolfgang Kubicki, muss irgendwie
der Wiedereinzug in die Landtage geschafft werden. In Bayern, wo der
FDP 2013 ebenfalls das parlamentarische Aus droht, sieht es nicht
anders aus. Auch die Regierungsbeteiligung hat den Absturz in der
Wählergunst nicht abwenden können, sondern vielleicht sogar noch
beschleunigt. Völlig verkorkst ist überdies das Personaltableau der
Linken. Der Partei droht zumindest in zwei westdeutschen Landtagen
das Aus. Das Saarland mit Ex-Parteichef Oskar Lafontaine ist ein
Sonderfall. So viel peinliches Geschacher ums Personal der Parteien
gab es jedenfalls noch nie. Da kann auch Gauck nicht helfen.
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