DER STANDARD-Kommentar "Zu kurz gegriffen" von Gerald John
Geschrieben am 03-04-2012 |
Der Integrationsstaatssekretär hat mehr in der Sprache als in
der Sache bewegt // Ausgabe vom 4.4.2012
Wien (ots) - Vom Wurschtel zum Wunderwuzzi: Sebastian Kurz'
Nachrede hat sich von einem Extrem ins andere verkehrt. Galt der Twen
mit dem gegelten Schnöseloutfit bei Amtsantritt als angehender
Fettnapf-Champion, überkommt heute selbst notorische
Regierungskritiker Beißhemmung. Im ersten Jahr als
Integrationsstaatssekretär hat sich der ÖVP-Newcomer keinen
peinlichen Schnitzer geleistet - und nie zu dumpfem Ausländerbashing
hinreißen lassen.
Für einen Politiker aus dem Innenministerium ist das bereits ein
Verdienst. Unterschwelliges Einstimmen in den blauen Chor hat im
Polizeiressort Tradition, Zuwanderer gelten in erster Linie als
Störenfriede, Eindringlinge, Kriminelle. Nicht, dass Kurz die
legistische Konsequenz dieser Logik bekämpft hätte; gegen böswillige
Abschiebungen, die integrierte Familien auseinanderreißen, traut er
sich nicht aufzumucken. Doch immerhin gibt es nun eine Stimme in der
Regierung, die eine alternative Geschichte erzählt: Dass Immigranten
die Gesellschaft nicht bedrohen, sondern bereichern können.
Wenigstens ein Koalitionär versucht der FPÖ die Deutungshoheit
streitig zu machen - die Bundes-SPÖ schweigt das Reizthema lieber
tot.
Weder Beratungsresistenz noch Berührungsängste gegenüber der
Migrantenszene zeigte Kurz im Premierenjahr, dafür PR-Talent.
"Integration durch Leistung" hat er zum zentralen Slogan auserkoren.
Der Leitspruch fügt sich perfekt in die Werbelinie der eigenen Partei
- weniger jedoch in die Lebenswelt der Zuwanderer.
Als "Land der Chancen" für Leistungswillige preist der Staatssekretär
Österreich an und greift damit zu kurz. Zuwanderer, besonders
türkischer Herkunft, sind ja nicht deshalb Nachzügler in den Schulen,
am Arbeitsmarkt und in den Einkommenscharts, weil die Mehrheit nicht
"anzah'n" will, sondern weil sie an verschiedenen Hürden scheitern.
Dazu zählen schikanöse Gesetze und diskriminierende Arbeitgeber, aber
auch Hemmnisse, die sich in den eigenen Communities aufbauen.
Viele Jugendliche sprechen schlecht Deutsch, weil zuhause nur die
Muttersprache üblich ist. Oft sind die Eltern, selbst einfache Leute,
nicht wirklich dahinter, dass die Sprösslinge etwas lernen. Die alte
Zuwanderergeneration gibt ihr niedriges Bildungsniveau vielfach
weiter. Das muss, wie internationale Studien zeigen, kein Naturgesetz
sein - doch die heimischen Schulen scheitern daran, den Rückstand zu
kompensieren. Längst stellen Immigranten das Gros der jungen
Arbeitslosen in den Städten. Angesichts der absehbaren Verschärfung
durch die Krise fällt es schwer, sich die Metapher von der "tickenden
Zeitbombe" zu verkneifen.
Die vielen Projekte und Projekterl, für die Kurz ein paar Millionen
zugewiesen bekommt, sind löblich, aber Petitessen. Nötig ist ein
massiver Ausbau von Kinderbetreuung, Ganztags- und Gesamtschule, doch
die von der Regierung angekündigte Offensive fällt lahm aus. Unterm
Strich stagnieren die Bildungsausgaben. Dass sich der Staatssekretär
die Rettung der Sprachförderung auf die Fahnen schreibt, ist ein
Erfolg in einem Rückzugsgefecht.
Kurz, Regierungsmitglied ohne Macht und Geld, kann man finanzielle
Versäumnisse nicht anlasten. Als einzige Waffe bliebe ihm
Bewusstseinsbildung - etwa für die Idee, dass nicht das Elternhaus
ideale Bildungsstätte für Kinder ist. Dieser Kampf wäre freilich
heikel: Der ideologische Gegner sitzt in der eigenen Partei.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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