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Neue OZ: Kommentar zu Ukraine

Geschrieben am 02-05-2012

Osnabrück (ots) - Kein Unschuldslamm

So berechtigt Kritik an ukrainischen Missständen ist: Ein Stück
weit bleibt die Debatte scheinheilig. Dass dort Menschen leiden, und
zwar auch schlimmer und unbescholtener als Julia Timoschenko, ist
keine neue Erkenntnis. Die EM sollte trotzdem dort stattfinden, und
es gab Gründe dafür. Nun aber präsentiert sich die einstige
politische Hoffnungsträgerin des Landes wie des Westens im
unmittelbaren Vorfeld der Veranstaltung geschickt als Opfer eines
Systems, dem sie lange angehörte, und erzielt die kalkulierte Wirkung
zu hundert Prozent.

In der Ukraine, keine Frage, herrschen Willkür, Korruption und
Cliquenwirtschaft. Timoschenko ist gewiss auch Opfer des Regimes.
Aber daraus folgt nicht, dass sie ein Unschuldslamm ist. Ihr riesiges
Vermögen, das sie in der Nach-Sowjet-Zeit als Gas-Monopolistin
anhäufte, wirft durchaus Fragen auf. Sie selbst nennt es
"Ersparnisse". Aber ein früherer Mentor, der eng in die Geschäfte
eingebunden war, sitzt wegen Geldwäsche in den USA im Gefängnis.

Auch die Bevölkerung in der Ukraine hat sich von Timoschenko
längst abgewandt. Ihre Beliebtheitswerte liegen nur unwesentlich über
denen des Präsidenten. In der Ukraine wie in Polen stößt die
plötzliche Empörung im Westen deshalb auf Verwunderung, oft
Ablehnung. Vermutlich ist am dortigen Verdacht, dass der Fall
allgemeine Stereotype gegenüber Osteuropa wieder aufleben lässt, auch
etwas dran. Reihenweise abzusagen taugt daher als Mittel des Protests
nur bedingt. Kritik zu üben, aber hinzureisen und Kontakt zu suchen
bleibt der bessere Weg.



Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion

Telefon: +49(0)541/310 207


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