"DER STANDARD"-Kommentar: "Merkels Kritiker machen sich's leicht"
von András Szigetvari
Geschrieben am 20-05-2012 |
Gegner der EU-Sparpolitik blieben bisher wichtige Antworten
schuldig? - Ausgabe vom 21.5.2012
Wien (ots) - Der neue französische Präsident Francois Hollande
sorgt für frischen Wind. Gut zu beobachten war das beim G-8-Gipfel in
Camp David: Plötzlich sind es nicht nur mehr die Amerikaner, die
Vorbehalte gegen die Sparpolitik Angela Merkels anbringen, sondern
auch Franzosen und in gedämpfteren Tönen sogar Italiener. Die
Hegemonie der "Wir müssen nur sparen, und alles wird gut"-Rhetorik
ist zu Ende.
Doch wer die deutsche Kanzlerin isoliert im Eck stehen sieht, irrt.
Die Europäische Zentralbank, der Währungsfonds und die Mehrzahl der
EU-Staaten stehen weiter zu ihrem Sparkurs. Noch schwerer wiegt, dass
die Kritiker ihres Kurses, zu denen auch Ökonomen wie
Nobelpreisträger Paul Krugman zählen, es sich zu einfach machen. Sie
suggerieren, staatliche Wachstumsförderung werde die Krise beenden.
Doch die Probleme in der Eurozone reichen so tief, dass nicht
erkennbar ist, wie Konjunkturprogramme nachhaltig helfen sollen.
Das Grundproblem Griechenlands, Portugals, Spaniens und Italiens ist
nämlich nicht die öffentliche Verschuldung. Die Schuldenkrise des
Staates ist Symptom für die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der
Privatwirtschaft in den genannten Ländern. Unternehmen und
Arbeitnehmer sind nicht produktiv genug für die Globalisierung und
dafür, den Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Italiens und
Griechenlands Unternehmen haben allein in den vergangenen fünf Jahren
ein Fünftel ihres Weltmarktanteils verloren, Spaniens Firmen elf
Prozent.
Dieses Problem ließ sich dank billiger Eurokredite lange kaschieren.
Doch es war eine Party auf Pump: Seit Mitte der 90er-Jahre hat sich
die Nettoauslandsverschuldung (private wie öffentliche Verschuldung)
Griechenlands, Italiens und Spaniens vervierfacht, jene Portugals
verzehnfacht. Diese Entwicklung war nicht nur Schuld der Südländer,
das Bild vom faulen Griechen ist Unsinn. Mitgespielt haben die
EU-Osterweiterung, der Aufstieg Chinas, fehlende Anpassungen in der
Wirtschaft.
Doch Fakt ist, dass das auf Kredit gebaute Modell ausgedient hat. Die
Befürworter einer Wachstumsstrategie konnten bisher keine Antworten
darauf geben, wie sie die fehlende Wettbewerbsfähigkeit des Südens
verbessern wollen. Konjunkturprogramme schaffen Jobs. Aber wie sollen
sie helfen, Managementkulturen ganzer Unternehmenssektoren zu ändern
und neue Nischen für Industriebetriebe zu finden? Zudem zählten
Spanien, Portugal und Griechenland in den vergangenen 40 Jahren zu
den Profiteuren von EU-Förderungen. Die Gelder haben ihnen geholfen,
den Anschluss an den Norden zu finden. Doch irgendwann waren genug
Straßen gebaut. Die Förderpolitik in den vergangenen 15 Jahren war
nicht mehr nachhaltig. Wodurch sollte sich das ändern?
Ein anderer Vorschlag der Wachstumspropheten lautet, Überschussländer
wie Deutschland sollten mehr konsumieren. Die Ungleichgewichte in der
EU würden sich dann schon auflösen. Aber wer sagt, dass die deutschen
Konsumenten spanische und nicht chinesische Waren kaufen?
Richtig ist, dass der Sparkurs in den Krisenländern, für den Merkel
wesentlich einsteht, bisher keinen Erfolg gebracht hat. Man muss kein
Genie sein, um zu erkennen, dass es nicht klug ist, wenn etwa Spanien
inmitten der Rekord-Jugendarbeitslosigkeit vier Milliarden Euro an
Bildungsausgaben streicht. Doch dieses Wissen allein ist noch lange
keine Alternativstrategie.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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