NRZ: Jeder ist sich selbst der Nächste - Kommentar zur Eurokrise von Lothar Petzold
Geschrieben am 08-06-2012 |
Essen (ots) - Das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone ist
für internationale Finanz- und Wirtschaftsexperten keine Frage mehr
des "ob", sondern nur noch des "wann" und "wie". Damit nicht genug,
hinter verschlossenen Türen wird bereits über ein völliges
Auseinanderbrechen der Eurozone spekuliert. Die Eurokrise und die
schlechten Aussichten der Weltkonjunktur haben China veranlasst, nach
Jahren erstmals den Leitzins zu senken, um die eigene Wirtschaft noch
robuster dastehen zu lassen. Der chinesische Staatsfonds CIC, der ein
Vermögen von mehr als 400 Milliarden Dollar verwaltet, rechnet mit
einem Euro-Zusammenbruch. In der Schweiz wird über die Einführung von
Kapitalverkehrskontrollen nachgedacht, um sich gegen eine mögliche
Flucht aus dem Euro zu wappnen. In Europa haben die Akteure ihren
Buh-Mann längst gefunden: Deutschland. Bundeskanzlerin Merkel gerät
immer mehr unter Druck, sich den Wünschen der südeuropäischen Staaten
nach einer Vergemeinschaftung der Staats- und Banken-Schulden zu
beugen. Noch hält die Kanzlerin stand. Die Frage ist, wie lange noch.
Dabei zielen die angedachten Rettungssysteme wie Eurobonds oder
Bankenunion nur in eine Richtung: Deutschland soll noch stärker zur
Kasse gebeten werden. Die gerade im Zusammenhang mit der Krise
spanischer Geldhäuser ins Gespräch gebrachte Bankenunion zielt dabei
auch auf die Sicherung deutscher Spareinlagen. Der Plan: Die
nationalen Rettungsfonds für die Banken, die das Geld der Sparer
absichern, sollen demnach für alle Banken in ganz Europa gelten. In
diesem Dilemma will Merkel nun Europa mehr Gesamtverantwortung
zuschanzen. Gemeinsame Bankenaufsicht, gemeinsame Aufsicht über die
Staatsfinanzen und ähnliches sollen einen Ausweg bieten. Was davon
letztlich zu halten ist, zeigt der Sündenfall von 2010. Innerhalb
weniger Tage brachen die Euro-Politiker die Verträge von Maastricht,
in denen es heißt, dass nie ein Euro-Land für die Schulden eines
anderen einstehen würde und dass die Europäische Zentralbank nie die
Euro-Staaten finanzieren würde. In der Not ist sich in Europa jeder
selbst der Nächste. Das ist verständlich und für jedes einzelne Land
sicherlich richtig. Nur ist das alles mit einer gemeinsamen Währung
nicht zu machen. Die Gemeinschaftswährung droht dem seit Jahrzehnten
mühsam gepflegten europäischen Annäherungs- und Einigungsprozess
nachhaltig zu schaden. Ein "weiter so" bei der Euro-Rettung ist nicht
erfolgversprechend. Beim Schengenabkommen rudern die Europäer zurück.
Beim Euro wäre das auch eine Lösung.
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Redaktion
Telefon: 0201/8042616
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