(Registrieren)

Schwäbische Zeitung: Kultur des Selbstmitleids - Leitartikel

Geschrieben am 12-06-2012

Leutkirch (ots) - Ursula von der Leyen will die Arbeitnehmer vor
ständiger Erreichbarkeit schützen. Damit spricht die fürsorgliche
Arbeitsministerin vielen aus der Seele. Sicherlich hat sie recht,
dass es der Erholung nicht eben zuträglich ist, im Gasthaus, Kino
oder Bett die Mails vom Chef zu lesen. Die Aus-Taste ist der
wichtigste Knopf am Telefon.

In Wahrheit geht es aber nicht ums Handy, sondern um die
Einstellung zur Arbeit generell. Der Eifer, mit dem viele
Arbeitnehmer derzeit Belege suchen, dass sie so viel und so hart
arbeiten wie kaum eine Generation zuvor, trägt Züge kollektiven
Wahns. Tausende lassen sich ermattet in Sanatorien einweisen -
Diagnose: Burn-out - und nehmen wirklich Kranken Therapieplätze weg.

Weinerlich schwärmen viele der Ausgebrannten von der
entschleunigten Zeit ohne Handy und Computer. Gute alte Zeit, zwei
Generationen zuvor? Als sich viele Menschen auch bei uns noch als
Mägde verdingten? Als Bergarbeiter mit Muskelkraft Kohle aus dem Fels
brachen? Gemessen am Leben der Großeltern geht es den meisten von uns
gut.

Und doch bricht sich eine Kultur des Selbstmitleids Bahn. Dies ist
womöglich dadurch zu erklären, dass sich die Deutschen an falschen
Vorbildern orientieren. Warum Opfer bringen, während Konzerne
Steuerschlupflöcher nutzen? Warum die Ärmel hochkrempeln, während
Spekulanten Abermillionen scheffeln? Die Sehnsucht, sich zurücklehnen
zu wollen, ist auch eine Antwort der Arbeiter und Angestellten auf
die Maßlosigkeit der Elite. Und doch liegen sie falsch. Wir brauchen
keine Entschleunigung, sondern mehr Tempo. Deutschland muss im
eigenen Interesse wachsen, und dazu noch halb Europa mitziehen. Ein
Land, das seinen Wohlstand dadurch erwirtschaftet, dass es Waren in
alle Welt exportiert, kann nicht aufs Bremspedal treten. Jahr für
Jahr müssen sich die Deutschen neu behaupten: gegen aufstiegshungrige
Rivalen aus Indien oder China. Dort sind nicht nur Handys nachts
eingeschaltet. Dort arbeiten auch Friseure und Baukolonnen rund um
die Uhr.



Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 07561-80 100
redaktion@schwaebische-zeitung.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

400875

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Grüne fordern gemeinsamen Schuldentilgungsfonds der Euro-Staaten/ Künast: "Sparen alleine reicht aber nicht" Düsseldorf (ots) - Die Grünen haben die Bundesregierung aufgefordert, ihren Widerstand gegen einen gemeinsamen Altschuldentilgungsfonds der Euro-Staaten aufzugeben. "Wir halten einen Altschuldentilgungsfonds für dringend erforderlich, um den Zinsdruck zu senken, dem einige Länder ausgesetzt sind. An dieser Stelle hat sich die Regierung bislang kein Stück bewegt und schiebt rechtliche Bedenken vor", sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Mittwochausgabe). Der Altschuldentilgungsfonds mehr...

  • Rheinische Post: Regierung betont Mitverantwortung der Opposition bei Fiskalpakt-Verhandlung Düsseldorf (ots) - Führende Politiker von Union und FDP haben vor den Fiskalpakt-Verhandlungen an die Mitverantwortung der Opposition für die Lösung der Euro-Krise appelliert. "Wichtig ist, dass es grundsätzlich zu einer Einigung mit der Opposition kommt - das muss aber nicht zwingend heute sein", sagte die Chefin der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Mittwochausgabe). "Ich bin jedoch zuversichtlich, dass sich die Opposition ihrer Verantwortung bewusst ist. Deutschland ist Vorreiter mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zur Finanztransaktionssteuer Stuttgart (ots) - Wetten, dass es die Geldwirtschaft am wenigsten treffen wird? Es ist abzusehen, dass sie zumindest einen Teil ihrer Mehrkosten an ihre Kunden weitergeben wird. Deshalb verlangt die FDP Einschränkungen zuhauf zur Schonung der Kleinsparer. Auch das hat hohen Propagandawert, klingt schließlich nach Gerechtigkeit. Eine Steuer mit vielen Ausnahmen ist aber ohne teuren Zusatzaufwand der Behörden nicht zu haben. Zudem stammt auch das Geld, mit dem Finanzkonzerne spekulieren, nicht zuletzt von Riester-Sparern und Versicherungskunden. mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: Linkspartei Jelpke fordert Ablösung Gysis nach der Wahl 2013 Halle (ots) - Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Linke) hat die Ablösung des Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi nach der Bundestagswahl 2013 gefordert. Das berichtet die in Halle erscheinende "Mitteldeutsche Zeitung" (Online-Ausgabe). "Es wäre ein Fehler, das Fass jetzt aufzumachen", sagte sie dem Blatt zufolge am Rande der Fraktionssitzung am Dienstag. "Aber danach muss es passieren." Dann müsse die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht Gysi ablösen. Jelpke gehört dem linken Parteiflügel an und ist mit Gysi mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: Ex-Bundesumweltminister Röttgen wird Mitglied im Auswärtigen Ausschuss Halle (ots) - Der ehemalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) wird Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Das teilte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder, der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Online-Ausgabe) mit. Röttgen, der im Mai von Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel entlassen worden war, folgt damit einer Einladung des Ausschuss-Vorsitzenden Ruprecht Polenz. Dieser hatte nach Röttgens Entlassung erklärt, er würde sich freuen, wenn Röttgen mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht