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"DER STANDARD"-Kommentar: "Stögers unmögliche Möglichkeiten" von Andrea Heigl

Geschrieben am 13-06-2012

Der Gesundheitsminister ist bei Reformen realpolitisch
verblüffend weit gekommen - Ausgabe vom 14.6.2012

Wien (ots) - Wenn in heimischen Zeitungen über eine Umbildung des
roten Teils der Regierung spekuliert wird, dann ist ein Name immer
dabei: jener von Gesundheitsminister Alois Stöger. Und mit der Wiener
Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely - so lautet der zweite Teil des
Stehsatzes - stünde auch schon eine mögliche Nachfolgerin in den
Startlöchern. Es kann gut sein, dass Wehselys politische Karriere
nicht im Wiener Rathaus endet; inhaltlich gibt es allerdings keinen
Grund, Stöger aus dem Amt zu kicken. Der Gesundheitsminister ist
definitiv nicht das schillerndste Mitglied der Bundesregierung, er
ist auch nicht der mitreißendste Redner oder der begnadetste
Populist. In der Sache hat er aber vieles weitergebracht, das lange
Zeit völlig außer Reichweite schien.
So wie jenes als Gesundheitsreform firmierende Papier, das Stöger und
Finanzministerin Maria Fekter gemeinsam mit Kassen- und
Ländervertretern am Mittwoch unterschrieben haben. Natürlich muss es
erst mit Leben erfüllt werden, und ob die versprochene Vernetzung
tatsächlich funktioniert, wird stark davon abhängen, wie die
notwendige Vereinbarung zwischen Bund und Ländern im Detail
formuliert wird. Dennoch: Der erste Schritt ist getan, und gemessen
an dem, was in Österreich überhaupt realpolitisch möglich ist, grenzt
es schon an ein Wunder, wenn sich Bundes-, Länder- und
Kassenvertreter auf ein Papier einigen können, das mehr als nur
Überschriften enthält.
Stöger agiert so konsequent unaufgeregt, dass ihm das manche als
Untätigkeit auslegen. Das Gegenteil ist der Fall: Die Krankenkassen
sind weitgehend konsolidiert und erwirtschaften mittlerweile
Überschüsse, mit denen sie ihre Schulden zurückzahlen. Die
Elektronische Gesundheitsakte dürfte in den nächsten Wochen ihren Weg
in den Ministerrat finden, auch wenn das Projekt in den letzten
Monaten hinausgezögert wurde, nicht zuletzt wegen der laufenden Wahl
des Ärztekammerpräsidenten. Am Dienstag verabschiedete die Regierung
ein Gesetz, das die Möglichkeiten für Schönheitsoperationen vor allem
bei Jugendlichen deutlich einschränkt. Dass Österreich eine
hatscherte Regelung für den Nichtraucherschutz hat, ist freilich auch
Stöger geschuldet.
Dieses Thema wird auch deswegen so aufgeregt diskutiert, weil es sich
auf Überschriften reduzieren lässt. Stögers Kernmaterie ist
allerdings unfassbar kompliziert, und darin liegt ein Teil seines
Vermittlungsproblems. Was etwa die Gesundheitsreform bedeutet, dazu
fiel am Mittwoch keinem der Unterzeichner ein ganz konkretes Beispiel
ein. Herausstellen wird sich das erst, wenn Länder und Kassen
erstmals miteinander planen müssen - statt wie bisher jeder für sich
das eigene System zu optimieren.
Das sagt auch einiges über die eigentliche Krux in der Jobdescription
des Gesundheitsministers aus: Er kann Rahmenbedingungen vorgeben -
mit Leben erfüllen müssen diese aber andere Spieler im System. Mit
dem Papier wird seine Rolle gestärkt, etwa bei den Qualitätsvorgaben
- auch wenn Stöger das wohlweislich nicht allzu stark betont hat. Zu
sehr ist er auf die Verhandlungsbereitschaft der Länder angewiesen.
Sollte Stöger sich bei der Bund-Länder-Vereinbarung durchsetzen und
sollte er es tatsächlich schaffen, die Elektronische Gesundheitsakte
zu implementieren, ist das eine beachtliche Bilanz für eine
Legislaturperiode.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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