Schwäbische Zeitung: Faule Tricks, gutes Ergebnis - Leitartikel
Geschrieben am 15-06-2012 |
Leutkirch (ots) - Das war nun wirklich keine Sternstunde des
Deutschen Parlamentarismus. Vor dem Plenarsaal stehen zu bleiben,
wenn drinnen ein eigener Antrag beraten wird, um so eine
Beschlussunfähigkeit des Bundestages herzustellen, ist schon mieser
Stil. Das ist Trick-Parlamentarismus, der nicht einreißen darf, denn
er ist einer geordneten Aussprache und Debatte nicht würdig.
Doch bei aller - berechtigten - Wut auf die Opposition muss
Schwarz-Gelb sich auch der eigenen Fehler bewusst sein. Erstens
leitete die Union vor zehn Jahren mit der Kündigung des Pairings,
wonach bei Krankheit eines Abgeordneten auch die Gegenseite auf eine
Stimme verzichtet, selbst den Verfall der parlamentarischen Sitten
ein. Zweitens ist das Verfahren, wie die Koalition das Betreuungsgeld
im Eiltempo durch den Bundestag peitschen wollte, auch kein guter
Stil. Schließlich weiß die Koalition sehr wohl, dass das
Gesetzesvorhaben weder im Parlament noch in der Bevölkerung eine
Mehrheit hinter sich hat. Deshalb ist das Ergebnis der ganzen
Trickserei gut: Jetzt kann noch einmal in Ruhe nachgedacht werden.
Eine ausführliche Diskussion aber wollten Union und FDP
verhindern, denn sie müssen fürchten, dass dann wenig übrig bleiben
wird vom Vorhaben Betreuungsgeld. In jeder neuen Anhörung wird sich
zeigen, dass es zwar wenige gute Gründe für das Betreuungsgeld gibt,
aber sehr viele berechtigte Einwände dagegen. Die CSU steht als
einzige geschlossen hinter dem Vorhaben, während es in der CDU und
erst recht in der FDP-Fraktion viele Abgeordnete und sogar Minister
gibt, die das ganze für Unsinn halten. Es wäre am besten, die CSU
würde sich auf ihr Landesbetreuungsgeld einrichten und auf das
Einhalten des Koalitionsvertrages in Sachen Betreuungsgeld
verzichten. Schließlich stand das Ganze ohnehin unter
Finanzierungsvorbehalt. Es gibt beim Betreuungsgeld keinen eleganten
Ausweg. Auch durch weiteres Herumfummeln wird das Gesetz am Ende
nicht besser werden.
Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 07561-80 100
redaktion@schwaebische-zeitung.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
401688
weitere Artikel:
- Schwäbische Zeitung: Ägypten braucht Ruhe - Kommentar Leutkirch (ots) - Die alten Kräfte Ägyptens treten einfach nicht
ab. Wenn sich das Verfassungsgericht für eine Auflösung des
demokratisch gewählten Parlaments ausspricht, haben Richter das Wort,
die noch von Hosni Mubarak eingesetzt worden sind. Sie mögen zwar
Recht haben. Ihre Entscheidung spielt trotzdem dem Militärrat in die
Hände. Ohne Parlament nimmt seine Bedeutung weiter zu. Zudem hat das
Gericht das Antreten des Mubarak-Vertrauten Ahmed Schafik bei der
morgigen Stichwahl um das Präsidentenamt abgenickt.
Eigentlich sollten mehr...
- FT: Flensburger Tageblatt Flensburg (ots) - Der Streit um das Betreuungsgeld gipfelte in
einer parlamentarischen Blamage. SPD und Grüne führten absurdes
Theater auf.Wären Union und FDP aber vollzählig im Plenarsaal
erschienen, hätte der Verfahrenstrick nicht funktioniert. Wegen der
Fehlanreize für bildungsferne Familien ist das Betreuungsgeld in der
Koalition so heftig umstritten, dass 126 Abgeordnete von CDU/CSU und
FDP der ersten Lesung des Gesetzentwurfs fernbleiben wollten. Viele
ärgern sich über das Eiltempo, mit dem das Gesetz noch vor der
Sommerpause mehr...
- Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zu sozialer Marktwirtschaft Stuttgart (ots) - Noch wähnt sich der Westen moralisch auf der
richtigen Seite. Aber gerade dadurch, dass die Politiker in Europa
das Soziale an der Marktwirtschaft überbetont haben, machen sie es
kaputt. Der Sozialstaat ist so längst nicht mehr finanzierbar, die
Fassade wird nur noch auf Pump aufrecht erhalten. Die Krise trifft
als Erstes die Armen, während die Reichen profitieren - unter
anderem, weil sie dem Staat das dringend benötigte Geld leihen
können. Das angeblich so Menschliche an der Marktwirtschaft macht die
europäischen mehr...
- Westdeutsche Zeitung: Das gestrige Theater im Bundestag schadet der Demokratie
Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel Düsseldorf (ots) - Man mag das Betreuungsgeld für sinnlose
Mittelverschwendung und eine gesellschaftspolitisch schädliche Idee
halten. Dennoch besteht auch für schärfste Gegner kein Grund, sich
über das Geschehene zu freuen. Der Hammelsprung inklusive Abbruch der
Bundestagssitzung hat zwar dazu geführt, dass sich das Projekt
Betreuungsgeld bis in den Herbst verzögert. Was auch bedeuten kann,
dass der Plan wegen des weiter gewachsenen Widerstands keine Mehrheit
im Bundestag findet. Allerdings ist der Schaden, den die Trickserei
der mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Betreuungsgeld Osnabrück (ots) - Noch nicht vom Tisch
Erneut hat die Opposition beim Betreuungsgeld die zerstrittenen
Regierungsparteien vorgeführt. Doch der Trick, der zum Einsatz kam,
war unanständig. Wer die Gepflogenheiten im Bundestag kennt, weiß: Es
war kein Glanzstück der politischen Kultur, dass viele
Sozialdemokraten und Grüne vor dem Eingang des Plenarsaals stehen
blieben und so zur Beschlussunfähigkeit des Parlaments beitrugen.
Nun wird es vor der Sommerpause keinen Beschluss zur geplanten
familienpolitischen Leistung geben. Ein mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|