Börsen-Zeitung: Deutschland - Italien 1:2, Kommentar zum EU-Gipfel, von Detlef Fechtner.
Geschrieben am 29-06-2012 |
Frankfurt (ots) - Nach dem EU-Gipfel mag sich der Eindruck
einstellen, die Südländer - und allen voran die Italiener - hätten
beim nächtlichen Poker in Brüssel einen Kantersieg gegen Deutschland
eingefahren. Direkthilfen für Banken, einfacherer Zugang zum
Rettungsschirm, Abschied vom bevorzugten Gläubigerstatus des ESM -
das klingt gerade so, als habe sich der "Club Med" auf ganzer Linie
durchgesetzt.
Diese Beurteilung ist freilich kurzsichtig - genau so wie
Mahnrufe, Europa versinke endgültig in einer Schuldenunion,
übertrieben sind. Zwei Überlegungen werden dabei ausgeblendet.
Erstens sind längst nicht alle Wünsche des Südens erfüllt worden. So
gibt es auch nach diesem EU-Gipfel keine Banklizenz für den ESM,
keine an Zinsniveaus gekoppelte halbautomatischen Interventionen der
EZB, keine gemeinsame Schuldenfinanzierung über Bonds oder Bills.
Zweitens darf nicht übersehen werden, dass die hohen Risikoprämien
italienischer und spanischer Anleihen nicht nur ein Problem für diese
Länder darstellen, sondern auch für die Euro-Partner. Kanzlerin
Angela Merkel, Finnlands Regierungschef Jyrki Katainen, der
niederländische Premier Mark Rutte - sie alle haben ein ureigenes
Interesse daran, dass sich die Politik ernsthaft um Signale bemüht,
die helfen, dass die Partner im Süden nicht mit rekordhohen Spreads
in die Sommerpause gehen müssen. Hätte der Norden alle Bitten
Italiens abgewiesen, wäre das Risiko gestiegen, dass die dortigen
Reformkräfte geschwächt werden. Insofern passen die ach so beliebten
plakativen Schlagzeilen von der wegknickenden oder überrumpelten
Kanzlerin nicht wirklich.
Aber: Es grenzt andererseits an bewusste Irreführung, wenn die
Bundesregierung so tut, als sei sie ihrer Position treu und überhaupt
alles beim Alten geblieben. Denn das ist es nicht. Wenn in gar nicht
mehr so ferner Zukunft beispielsweise italienische oder zyprische
Banken direkte Hilfen des ESM erhalten, verlagert sich das
Ausfallrisiko (und das dürfte bei diesen Instituten hoch sein)
letztlich von der italienischen oder zyprischen Regierung auf den
Schirm - kurzum auf die Steuerzahler in Deutschland, der Slowakei
oder Österreich. Auch der Verzicht auf den Sondergläubiger-Status des
ESM bedeutet zusätzliches Risiko - zu Gunsten des Südens, zu Lasten
aller anderen Euro-Partner.
Es gibt in Zeiten gefährlich hoher Risikoprämien gewiss gute
Gründe, diese Zugeständnisse zu machen. Die Bundesregierung sollte
dann allerdings aufrichtig genug sein, zuzugeben, dass Italien in der
nächtlichen Partie in Brüssel etwas mehr erreicht hat als
Deutschland.
(Börsen-Zeitung, 30.6.2012)
Pressekontakt:
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Redaktion
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