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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Inlandsgeheimdienst

Geschrieben am 02-07-2012

Bielefeld (ots) - Der Präsident des Verfassungsschutzes Heinz
Fromm hat gestern um Entlassung gebeten. Das war klug. Anderenfalls
hätte ihn eine Welle von Rücktrittsforderungen erfasst, zu der er
selbst mit einem Spiegel-Interview beigetragen hat. Fromm übernimmt
nicht nur die Verantwortung dafür, dass dringend benötigte Akten
vernichtet wurden. Der Chef des deutschen Inlandsgeheimdienstes gab
auch zu, dass die Aktenführung in seinem Haus bewusst lückenhaft ist.
Damit konnten seine Mitarbeiter Kontrollen durch Dritte raffiniert
vermeiden. Das lässt tief blicken, das ist unentschuldbar. Die
sofortige Annahme des Rücktrittsgesuchs durch Innenminister
Hans-Peter Friedrich (CSU) ist mehr als folgerichtig. Die Frage
bleibt, ob der Fehler damit behoben ist. Klare Antwort: ist er nicht.
Die Probleme beginnen jetzt erst. Über allem prangt die peinliche
Megapanne, dass die Neonazi-Mordserie der Zwickauer Terrorzelle nicht
erkannt wurde - und das trotz der Beteiligung des Bundesamtes für den
Verfassungsschutz, mehrerer Landesämter für den Verfassungsschutz
sowie der Polizeibehörden von Bund und Ländern. Manche Experten waren
ganz nah dran, aber sie haben den »Nationalsozialistischen
Untergrund« (NSU) nicht richtig einzuschätzen gewusst und schon gar
nicht in den Griff bekommen. Die parlamentarische Aufklärung hat
bislang nichts Handfestes ergeben. Jedem Aktenstück in den
Untersuchungsausschüssen haftet jetzt auch noch der Zweifel an, ob es
vollständig ist. Niemand vermag zu sagen, ob etwas bewusst
vorenthalten wird oder gar aus Dummheit verschlampt wurde. Keine gute
Grundlage für die fällige Neubewertung des gesamten Staatsschutzes in
Deutschland. Denn eine Strukturreform an Haupt und Gliedern ist
unumgänglich. Der unter erheblichem Zugzwang vollzogene - formal
freiwillige - Rücktritt des Verfassungsschutzpräsidenten ehrt den
Amtsinhaber, aber zur Aufklärung der unübersichtlichen Vorgänge trägt
Fromm mit seiner Entscheidung nicht bei. Außerdem: Auch der
Frühpensionär wird noch sehr oft vor Ausschüssen und Gremien
erscheinen. Fromm tritt einen ausgesprochen unruhigen Vorruhestand
an. Solange die politisch Verantwortlichen aus der inzwischen
Mörder-Jahrzehnt genannten Zeit nicht alle ehrlich und umfassend
ausgesagt haben, bleibt es beim Stochern im Dunkeln. Fromms Rückzug
könnte es sogar anderen erleichtern, in der Deckung zu bleiben.
Selbst die Bundeskanzlerin muss sich um das Ansehen und die Qualität
ihres Dienstes sorgen. Sie hat die Angehörigen der Opfer der
Mordserie im Februar um Entschuldigung für falsche Verdächtigungen
durch die Ermittler gebeten. Jeder muss mit dem Kopf schütteln, wenn
unsere Schlapphüte unauffällig so weiter machten, als wenn nichts
gewesen wäre. Aber das können sie ja am besten.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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