VDE fordert mehr Sicherheit für Elektrofahrzeuge / Strengere Standards für Batterietests mindern Brandgefahr / Elektrofahrräder bislang ohne ausreichende Sicherheitsüberprüfung
Geschrieben am 05-07-2012 |
Frankfurt am Main (ots) - Elektrofahrzeuge können sicherer werden,
wenn die Prüf- und Zulassungskriterien deutlich verschärft werden.
Insbesondere die Brandgefahr nach schweren Unfällen wird durch die
derzeit üblichen Tests nicht hinreichend untersucht. Darauf wies
Wilfried Jäger, Vorsitzender der Geschäftsführung des VDE-Instituts,
zur Eröffnung eines neuen Batterie- und Umwelttestzentrums in
Offenbach hin. Jäger forderte neue bzw. erweiterte
Sicherheitsstandards nicht nur für Kraftfahrzeuge, sondern auch für
Fahrräder mit elektrischem Hilfsantrieb.
Moderne Lithium-Ionen-Akkus besitzen eine sehr hohe Energiedichte
und müssen daher in einem bestimmten Temperaturbereich betrieben
werden. Versagt die Kühlung in einer Batterie, beispielsweise durch
einen Kurzschluss nach einem Unfall, droht Überhitzung der kompletten
Batterie, im schlimmsten Fall sogar ein Brand. Die bislang gültigen
Normen bilden solche Fälle nicht hinreichend ab.
Besonders kritisch ist die Abweichung des realen Unfallgeschehens
von den derzeit vorgeschriebenen Tests. So werden in der Regel nur
Quetschtests durchgeführt, bei denen der Akku langsam mit einer
definierten Kraft bis auf die Hälfte zusammengestaucht wird. Bei
einem realen Unfall, beispielsweise bei dem Heckaufprall eines
schweren Lkw auf ein leichtes Elektrofahrzeug, dominiert jedoch eine
schlagartige Belastung mit einem hohen Impuls.
Wichtigste Forderung des VDE ist es, das mögliche Versagen
einzelner elektronischer Bauteile zu berücksichtigen. In diesem Fall
sollte die Batterie stets in einen sicheren Zustand übergehen. Wird
die Batterie in einem solchen Moment gerade geladen, muss der
Ladevorgang zuverlässig abgebrochen werden. Die ggf. dazu notwendige
Software des Batterie-Managementsystems sollte ebenfalls stärker als
bislang auf mögliche Fehler getestet werden. Die bislang gültigen
Normen schreiben vor allem die Dokumentation der Software-Entwicklung
vor, nicht aber in ausreichendem Maße deren Prüfung.
Für nicht ausreichend halten die Experten des VDE außerdem die
bisherigen Standards für das Hochvolt-Bordnetz. Die
Antriebskomponenten eines Elektrofahrzeugs arbeiten mit Spannungen
von teilweise mehr als 800 Volt. Nach einem Unfall muss absolut
sicher gestellt sein, dass diese Komponenten spannungsfrei sind und
auch bei starker Deformation keine ungewollten Entladeströme über die
Karosserie abfließen. Dies würde die Mitarbeiter von Feuerwehr und
Rettungsdienst gefährden. Die existierende Regelung UN ECE-R100
schreibt zwar Mindeststandards vor, berücksichtigt aber wiederum die
realen Verhältnisse im Straßenverkehr nicht hinreichend. So wird z.
B. eine trockene, nicht eine verschmutzte und feuchte Karosserie auf
ihre elektrische Leitfähigkeit und Ableitwiderstände hin untersucht.
Es existieren keine ausreichenden und transparenten Regeln für
Fahrräder mit elektrischem Hilfsantrieb (Pedelecs). Nach Schätzungen
des VDE werden 95 Prozent aller Pedelecs ohne jede
Sicherheitsüberprüfung verkauft. Besonders kritisch ist das
Ladegerät: Es muss Überladungen zuverlässig verhindern, damit die
Batterie nicht überhitzt. Im Gegensatz zu den wettergeschützten
Ladesäulen für Elektrofahrzeuge sind die Ladegeräte für Pedelecs oft
nur für den Betrieb in Gebäuden ausgelegt. Werden sie dennoch im
Freien genutzt, muss ein sicherer Schutz gegen eindringende
Feuchtigkeit gegeben sein. Die Batterien von Pedelecs sind trotz
ihrer geringeren Größe und ihres geringeren Energieinhaltes
sicherheitskritische Komponenten. Zu berücksichtigen ist unter
anderem, dass Fahrräder oft dicht beieinander in Hausfluren und
Kellerräumen abgestellt werden und eine sich entzündende Batterie
eine Kettenreaktion ungeahnten Ausmaßes auslösen könnte.
Der VDE arbeitet aktiv an der Gestaltung künftiger Normen für
Elektrofahrzeuge mit. So übernahm die vom VDE getragene DKE Deutsche
Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und
VDE (VDE|DKE) die Federführung bei der Erstellung und
Weiterentwicklung der Deutschen Normungsplanung für Elektromobilität.
Die entstandene "Roadmap" liegt seit Februar 2012 in einer
überarbeiteten Version vor, die über das Thema Sicherheit hinaus auch
Standards für die Lade-Infrastruktur und die Einbindung von
Elektrofahrzeugen in intelligente Stromnetze behandelt.
Nähere Informationen unter www.vde-institut.com.
Über den VDE und das VDE-Institut
Der Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik
(VDE) ist mit 36.000 Mitgliedern (davon 1.300 Unternehmen, 8.000
Studierende, 6.000 Young Professionals) und 1.100 Mitarbeitern einer
der großen technisch-wissenschaftlichen Verbände Europas. Der VDE
vereint Wissenschaft, Normung und Produktprüfung unter einem Dach.
VDE-Tätigkeitsfelder sind der Technikwissenstransfer, die Forschungs-
und Nachwuchsförderung der Schlüsseltechnologien Elektrotechnik,
Elektronik und Informationstechnik und ihrer Anwendungen. Die
Sicherheit in der Elektrotechnik, die Erarbeitung anerkannter Regeln
der Technik als nationale und internationale Normen, Prüfung und
Zertifizierung von Geräten und Systemen sind weitere Schwerpunkte.
Das VDE-Zeichen, das 63 Prozent der Bundesbürger kennen, gilt als
Synonym für höchste Sicherheitsstandards. Mehr als 100.000 Geräte pro
Jahr unterziehen die unabhängigen Prüfingenieure der VDE Prüf- und
Zertifizierungs GmbH einem Härtetest bevor sie das VDE-Prüfzeichen
erhalten. Rund um den Globus überwachen die VDE-Experten mehr als
7.000 Fertigungsstätten. Kooperationsvereinbarungen mit mehr als 50
Ländern sorgen dafür, dass die vom VDE-Institut durchgeführten
Prüfungen international anerkannt sind. Weltweit tragen 200.000
Produkttypen mit einer Million Modellvarianten das VDE-Zeichen. Die
gemeinnützige VDE Prüf- und Zertifizierungsinstitut GmbH beschäftigt
in Offenbach rund 500 Mitarbeiter. Die Technologiegebiete des VDE:
Informationstechnik, Energietechnik, Medizintechnik, Mikroelektronik,
Mikro- und Nanotechnik sowie Automation. www.vde.com
Pressekontakt:
Melanie Mora, Telefon: 069 6308-461, melanie.mora@vde.com
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