DER STANDARD-Kommentar: "Libyen ist nicht über den Berg" von Gudrun
Harrer
Geschrieben am 18-07-2012 |
Die Islamisten haben nicht gewonnen - aber auch keine andere
politische Partei // Ausgabe vom 19.7.2012
Wien (ots) - Das Wahlergebnis in Libyen macht erst einmal Freude:
Ist es schon da, das Ende des Siegeszugs der Islamisten nach dem
Arabischen Frühling? Immerhin hat die Parteienliste NFA (Nationale
Kräfte Allianz) von Expremier Mahmud Jibril - dem engsten Partner des
Westens während des Aufstands - den Wettbewerb um die stärkste
Gruppierung gewonnen. Die von den Muslimbrüdern dominierte Partei
"Gerechtigkeit und Aufbau" hat nicht halb so viele Mandate erreicht,
die Salafisten gar keines.
Die 58 Miniparteien, die in der NFA versammelt sind, würden zwar die
Bezeichnung "säkular" - auch das medial so beliebte "liberal" - von
sich weisen, aber es stimmt: Noch mehr Islam für Libyen steht auf der
NFA-Prioritätenliste nicht ganz oben. Die Bezeichnung "moderat"
eignet sich ganz gut für Jibrils Bündnis, auch "national" wäre
passend, im Gegensatz zu einer weiter gefassten islamischen Agenda -
wenn nicht ausgerechnet Jibrils Konkurrenten unter diesem Label eine
Koalition zu bilden angekündigt hätten.
Und da ist er schon, der erste Schatten, der über dem NFA-Wahlsieg
liegt. Denn es ist keine ausgemachte Sache, dass Jibril eine
Regierungskoalition schmieden kann. Es wird wahrscheinlich auch keine
Regierung der nationalen Einheit geben. Die Muslimbrüder lehnen das
ab - und wollen ohne Jibril regieren. Es ist nicht ganz
auszuschließen, dass sie das schaffen.
Denn nur 80 der 120 Parlamentssitze wurden an Parteien vergeben, und
Jibril hat davon 39 gewonnen. Selbst wenn er einige der vielen
Kleinstparteien mit einem bis drei Mandaten auf seine Seite zieht,
bleiben immer noch die 120 Unabhängigen. Die Muslimbrüder behaupten,
die meisten stünden auf ihrer Seite.
Sicher ist, dass die Unabhängigen sich ihre Allianz nach ihren
eigenen Partikularinteressen - meist lokaler Natur - aussuchen
werden. Zuallererst wird der große Kuhhandel ausbrechen, dann werden
sich Gruppen formieren, und diese Gruppen werden sehr instabil sein.
Allein wenn man sich Jibrils gemischten Haufen ansieht, schleicht
sich der Verdacht ein, dass er in dieser Form die Transitionszeit
nicht überleben wird.
Zwar haben die Islamisten die Wahlen nicht gewonnen: Ihre islamische
Identität mussten sich die Libyer nicht bei Wahlen bestätigen lassen,
diesmal waren andere Affiliationen - zu einer Stadt, einem Stamm -
stärker. Aber das bedeutet nicht, dass eine andere politische Partei
gewonnen hätte.
Eine stabile politische Landschaft wird sich erst mit der Zeit
herausbilden - erst die nächsten Wahlen werden ein Indikator dafür
sein, wo die Libyer politisch stehen. Diese Transitionszeit ist
entscheidend und gefährlich. Denn für eine schwache Führung wird es
noch schwerer sein, dem Staat ein Gewaltmonopol zu verschaffen. Bevor
nicht ausgehandelt ist, was jeder bekommt, werden sich die Milizen
nicht der Staatsmacht unterstellen.
Libyen zu einen ist die größte Herausforderung für die neue Führung.
Auch das Schreiben der Verfassung ist damit verbunden: Es gilt das
rechte Maß an Föderalismus zu finden, das einerseits den Osten
beruhigt, andererseits den Zentralstaat nicht zu sehr schwächt. Der
Übergangsrat hat kurz vor den Wahlen beschlossen, dass die Mitglieder
der Verfassungsgebenden Versammlung nicht vom kommenden Parlament,
sondern direkt gewählt werden. Das war eine Konzession an die
Provinzen, die sich dadurch direkter vertreten sehen sollen. Aber es
macht die Sache nicht einfacher.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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