BERLINER MORGENPOST: Jochim Stoltenberg zu undemokratischen und realitätsfernen Euro-Rettern
Geschrieben am 06-08-2012 |
Berlin (ots) - Europa driftet immer weiter auseinander. Auch weil
- eher aus Ratlosigkeit denn aus Weisheit - die Empfehlungen zur
Rettung des Euro und der maladen Währungspartner zunehmend den Bezug
zur Realität verlieren. Das kostet gegenseitiges Vertrauen, ohne dass
das vereinte Europa nicht wird überleben können. Es rüttelt an den
Grundfesten der Demokratie, wenn Italiens Ministerpräsident Mario
Monti empfiehlt, zur Überwindung der Euro-Krise sollten die
nationalen Regierungen weniger Rücksicht auf ihre Parlamente und
deren Rechte und Beschlüsse nehmen. Wer glaubt, die Schuldenkrise von
oben herab lösen zu können, der irrt gefährlich. Denn wer die
Abgeordneten nicht ernst nimmt, der pfeift letztlich auch auf die
Wähler, also auf uns Bürger. Wenig glaubwürdig und überzeugend wirkt
als selbst ernannter Heiler dieser Krise auch der, der heute hü und
morgen hott sagt. SPD-Chef Sigmar Gabriel ist so einer. Einst
Verfechter von Euro-Bonds und damit einer gemeinsam haftenden
Schuldenunion, ließ er sich erst vor ein paar Tagen eines Besseren
belehren. Da rückte er wieder nah an die Bundesregierung und
verkündete, man müsse nicht in einer gemeinsamen Regierung sitzen, um
in wichtigen Fragen gemeinsame Politik zu machen. Deshalb sei er
dafür, in Europafragen den größtmöglichen Konsens zu suchen. Das tue
Deutschland gut und Europa auch. Doch kaum gesagt, schon vergessen.
Sein aufgewärmtes Plädoyer für eine gemeinschaftliche
Euro-Schuldenhaftung steht nicht nur in krassem Widerspruch zur
Politik der Bundesregierung. Es ist auch fern jeder Realität. Den
überraschenden Strategiewechsel verbindet er nämlich mit weiteren
Forderungen. Sie gipfeln in einer Grundgesetzänderung mit dem Ziel,
Volksabstimmungen über Euro-Rettungsaktionen samt Schuldenübernahmen
in der Verfassung zu verankern. Gabriels Meinungswandel fußt auf der
Empfehlung von drei Professoren. Ehrenwerte Überlegungen. Aber wer
wie die Europäer am Abgrund steht, muss schnell handeln. Eine
Grundgesetzänderung mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag? Woher
will Gabriel die nehmen? Gemeinsame Schuldenhaftung? Wenn selbst
führende Sozialdemokraten zweifeln, wie will Gabriel jemals die
Deutschen in einer Volksabstimmung für ein Ja zur Mithaftung aller
Euro-Schulden gewinnen? Zumal die beratenden Experten selbst das
Risiko sehen, mit der Gemeinschaftshaftung könnten Fehlanreize
(Verschleppung überfälliger Reformen) gesetzt werden. Freibriefe
schaffen kein Vertrauen. Wolkige Utopien auch nicht. Sie sind eher
geeignet, die Solidarität und das Vertrauen, das in den Anfängen
Europas von Politiker wie Adenauer und de Gaulle geschaffen wurde, zu
zerstören. Sie haben vorgemacht, wie Pragmatismus und Gespür für
gemeinsame Verantwortung Großes schaffen kann. Das Errungene darf
nicht im europäischen Schuldenturm versinken. Das aber kann nur
gelingen, wenn heute wie damals kein Partner überfordert wird.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
410302
weitere Artikel:
- Neue OZ: Kommentar zu Olympia / Rudern / Drygalla Osnabrück (ots) - Zweite Chance verdient
Der Fall Nadja Drygalla hat inzwischen fast den Anschein, als
könne er zum Beispiel für einen gelungenen Ausstieg aus der rechten
Szene werden. Zwar spricht manches Detail dafür, dass bei der
Absetzbewegung der Ruderin und ihres Freundes auch Eigennutz eine
Rolle spielt: Hatte die junge Frau ihre Polizeiausbildung wegen der
Gesinnung Michael Fischers noch beendet, sollte das bei der
Bundeswehr offenbar nicht erneut passieren. Aber letztlich soll der
gesellschaftliche Druck doch genau mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Syrien Osnabrück (ots) - Angriff aus den eigenen Reihen
Das Überlaufen des syrischen Ministerpräsidenten Riad Hidschab vom
Assad-Regime zu den Aufständischen ist vor allem eines: ein
Medien-Coup für die Rebellen. Der Seitenwechsel des bislang
ranghöchsten Politikers dürfte zwar für die zuletzt im Kampf stark
unter Druck geratenen Rebellen kaum direkte militärische Erfolge nach
sich ziehen. Aber dieser schwere Angriff aus den eigenen Reihen auf
das Regime wird in den nächsten Wochen wohl großen politischen
Widerhall unter den Syrern finden, mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Europa / Finanzkrise Osnabrück (ots) - Gabriels Wagnis
Europa kämpft um seine politische Zukunft, und die Fronten werden
endlich klar. Hier Kanzlerin Angela Merkel, die leichtlebigen
Südländern die Tugend der Sparsamkeit beibringen will. Die vor dem
letzten EU-Gipfel gesagt hat, sie werde Euro-Bonds ablehnen, "solange
ich lebe". Dort Sigmar Gabriel: Der SPD-Chef fordert genau diese
Vergemeinschaftung von Schulden zur Rettung des Euro, und erntet viel
Beifall von Fachleuten. Zu denen gehört sogar der Chef des
arbeitgebernahen Instituts der Deutschen mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Sozialreform Osnabrück (ots) - Im Sozialdickicht gestrandet
Endlich ein sachlicher Beitrag in der immer hitzigeren Debatte um
die Schuldenkrise und ihre Weiterungen. Während Euro-Retter in
Brüssel die "Dicke Bertha" auffahren und unbegrenzt mit Milliarden
schießen wollen, drängen in Deutschland Städte und Gemeinden auf
Kassensturz und die grundlegende Reform des Sozialstaats. Zu Recht.
Wenn erst die im Fiskalpakt verankerte neue "Superschuldenbremse"
Bund, Länder und Gemeinden dazu zwingt, ab 2014 nur noch maximal 14
Milliarden Euro Schulden mehr...
- Rheinische Post: Kommentar: Energiepolizei - nein danke Düsseldorf (ots) - Der Energieverbrauch von Wohngebäuden soll bis
2020 um ein Fünftel gesenkt werden. Das Ziel ist alle Anstrengungen
wert. Die Einsparmöglichkeiten sind immens, weil der Großteil der
Gebäude in Deutschland noch immer energietechnisch in der Steinzeit
steckt. In guten Jahren gelingt es gerade einmal, ein Prozent des
Bestands energetisch zu sanieren. Dass bei diesem Tempo alle
vernünftigen Klimaziele verfehlt werden, liegt auf der Hand. Die
Fördergelder für die Gebäudesanierung werden gekürzt statt
aufgestockt, die mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|