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Mittelbayerische Zeitung: Linderung täte not

Geschrieben am 22-08-2012

Regensburg (ots) - Von Roman Hiendlmaier

Fast 1,80 Euro pro Liter Super - noch nie war Sprit in Deutschland
so teuer wie heute. So ärgerlich die Tatsache, so lapidar ist die
Begründung: "Hoher Rohölpreis, schwacher Euro", zucken
Mineralölkonzerne mit den Achseln. Dass unsere Währung schwächelt,
ist dabei nichts Ungewöhnliches, sondern eine Folge überbordender
Staatsverschuldung im Euro-Raum. Dass hier manche Länder nur noch
dank Rettungspaketen und Garantien sich über Wasser halten, ist den
internationalen Rohstoff-Produzenten nicht verborgen geblieben. Kaum
verwunderlich, dass viele Ölmultis immer weniger bereit sind, ihre
Ware auf dem gleichen Preisniveau zu verkaufen. Die Folgen sind
mittlerweile klar ersichtlich, nicht nur an den Preissäulen der
Tankstellen. Die Preise steigen auf breiter Front. Aktuell schießen
die Kosten für Agrarrohstoffe in die Höhe. Die Bäcker haben schon
angekündigt, ihre Brötchen fürs selbe Geld nicht mehr backen zu
können, weitere Lebensmittel-Produzenten werden wohl folgen. Von 1995
bis Juli 2012 stiegen die Verbraucherpreise um knapp 30 Prozent, die
Warmmieten legten um etwa 40 Prozent zu. Nicht wenige Ökonomen gehen
von ähnlichen Steigerungsraten schon bis 2020 aus. Inflation nennen
Fachleute den Preisgalopp und warnen vor den Folgen für Arbeitnehmer,
Kleinsparer und Rentner. Der Münchner Bankenexperte Wolfgang Gerke
hat die Entwicklung sehr einfach definiert: Inflation heißt, dass die
Mehrheit ihren Lebensstandard nicht mehr halten kann. Allerdings ist
die Entwicklung in Deutschland weder gottgegeben, noch tragen die
Griechen, die Amis oder sonstige Verdächtige die Alleinschuld. Um
hierzulande den kleinen Mann zu schröpfen, braucht es manchmal auch
keine Ölmultis oder Spekulanten. Es genügt eine Energiewende, deren
Lasten Privathaushalten und Kleinunternehmen aufgebürdet werden. Rund
25 Cent kostet die Kilowattstunde Strom mittlerweile - für Hans Meier
und Lieschen Müller wohlgemerkt. Rund die Hälfte dieses Strompreises
besteht aus Steuern, Abgaben und Umlagen - die jedoch Meier und
Müller weitgehend alleine schultern. Die Industrie genießt großzügige
Ausnahmeregelungen, die sie von diesen Kosten ganz oder teilweise
entlasten. Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht zu
gefährden, wie es heißt. Von der Wettbewerbsfähigkeit der Bürger im
Kampf gegen steigende Lebenshaltungskosten war bisher noch keine
Rede, im Gegenteil: Erst Anfang des Monats zurrte die Bundesregierung
den weitgehenden Erlass der Ökosteuer für die Industrie auf zehn
Jahre fest. Für die Meiers und Müllers dagegen deutet vieles auf
weiter steigende Preise hin. So sollen etwa künftig Windparkbesitzer
bei Stillstand ihrer Anlagen aufgrund von Leitungsengpässen
entschädigt werden - nein, nicht von den Leitungsbetreibern, sondern
von den Stromkunden. Zumindest warf sich hier gestern
Verbraucherschützerin Ilse Aigner in die Bresche. Es war die erste
nennenswerte Reaktion der Bundesregierung auf diese wachsenden
Belastungen der Bürger. Ansonsten herrscht weitgehend Fehlanzeige:
Mittlerweile mehr als 90 Cent Steuer pro Liter Kraftstoff? Daran wird
nicht gerüttelt, sagt der Finanzminister. Steigende Mietkosten in den
Städten? "Wohnen darf nicht zum Luxus werden ," sagt
Bundesbauminister Ramsauer. "Niemand darf durch die Stromrechnung arm
werden", fordert auch der Präsident des Umweltbundesamtes, Jürgen
Flasbarth. Dabei ist beides jedoch bereits hunderttausendfach der
Fall. Die Preisanstiege im allgemeinen aufhalten zu wollen, scheint
schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Europa steckt so tief im
Schuldensumpf, als das ein Ausweg daraus ohne Hilfe der Inflation
gelingen kann. Dass dieser Weg schmerzhaft ist, ist nachvollziehbar -
Gelegenheiten zur Linderung über soziale Komponenten gäbe es jedoch
noch viele, gerade im reichen Deutschland.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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