Börsen-Zeitung: Ruhe vor dem Sturm, Börsenkommentar "Marktplatz", von Thorsten Kramer.
Geschrieben am 24-08-2012 |
Frankfurt (ots) - Die Hoffnung trägt nicht mehr. Elf Wochen in
Folge haben Europas Aktienkurse, gemessen am Benchmarkindex Stoxx
600, zugelegt, weil Investoren auf neue Stimuli der großen
Notenbanken für die schwächelnde Weltwirtschaft gesetzt haben. Doch
nun ist diese Serie gerissen. Selbst die unerwartet deutlichen
Hinweise im Fed-Protokoll von Mittwochabend reichten nicht dazu aus,
die Notierungen noch weiter anzutreiben. Europas Aktienmärkte suchen
nach neuer Orientierung.
Für die Ratlosigkeit breiter Investorenkreise gibt es inzwischen
viele Indizien. Besonders gut ablesen lässt sich dies in jedem Falle
daran, dass die Handelsaktivität an den Börsen sehr deutlich
zurückgegangen ist. Je nachdem auf welchen Index man sich bezieht,
sprechen Beobachter bereits vom niedrigsten Durchschnittsvolumen seit
mehr als zehn Jahren, weil Langfristinvestoren fehlen.
Ein wichtiger Grund dafür ist es, dass die Schuldenkrise in der
Eurozone die Anleger nachhaltig verunsichert - und in den nächsten
Wochen steht eine Fülle enorm wichtiger Termine auf dem Kalender, die
zu einer weiteren Verschärfung der Situation führen können. So ist
natürlich bereits die geldpolitische Sitzung der Europäischen
Zentralbank am 6. September im Fokus der Märkte. Mindestens so große
Aufmerksamkeit finden die Pläne der EU-Kommission zur Einführung
einer Bankenunion sowie die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts über die Rechtmäßigkeit des
Rettungsmechanismus ESM in der darauffolgenden Woche. Und daran
schließen sich unter anderem die nächste geldpolitische Sitzung der
US-Notenbank Federal Reserve sowie der Bericht der Troika über die
Lage in Griechenland an.
Am Aktienmarkt reift deshalb die Einschätzung, dass die
Kursverluste der abgelaufenen Handelswoche nicht bloß ein Intermezzo
gewesen sind. Vielmehr deutet sich an, dass sich größere Skepsis
breitmacht, so wie es beispielsweise am Rentenmarkt schon zu
beobachten ist. Ein klares Signal geht dabei beispielsweise vom
steilen Anstieg der Put-Call-Ratio auf den Benchmarkindex Euro Stoxx
50 aus, die vor dem Wochenende bei etwa 2,3 den höchsten Stand seit
rund sieben Monaten erreichte: Für Investoren gewinnt die Absicherung
des Anlageportfolios stark an Bedeutung.
Schon bevor die richtungsweisenden politischen und geldpolitischen
Entscheidungen getroffen werden, dürfte die Schwankungsbreite an den
Börsen spürbar steigen. Denn nun, in der eher nachrichtenschwachen
Phase, ist fest davon auszugehen, dass die Anzahl der Gerüchte und
Spekulationen deutlich wächst. So blieben schon in den
zurückliegenden Tagen Berichte über ein internes Zinsziel der
Europäischen Zentralbank für Anleihekäufe oder Vorverhandlungen
Spaniens über einen Hilfsantrag in Brüssel nicht ohne Wirkung.
Die vorliegenden harten Fakten verheißen derweil nichts Gutes:
Weltweit zeigen die Konjunktudaten und Frühindikatoren nun eine
Abschwächung der Dynamik an. Die Marktstrategen der Société Générale
arbeiten unter anderem mit einem Indikator, in den die Tendenz der
Medienberichte über die Konjunktur einfließt und der in der
Vergangenheit schon häufig eine gute Hilfe für die
Investitionsentscheidungen der Bank gewesen ist. Er zeigt inzwischen
in fast allen Regionen abwärts. Selbst in den Vereinigten Staaten, wo
zuletzt nicht alle Wirtschaftszahlen enttäuscht haben, sind die
Vorzeichen negativ, weil dort die Gewissheit wächst, dass die
weltgrößte Volkswirtschaft mit ihrer immensen Verschuldung mittel-
bis langfristig ein schwerwiegendes Problem bekommen wird. Eine
dritte Runde von Staatsanleihekäufen durch die Federal Reserve würde
dieses Problem letztlich nur aufschieben. Und dass diese Maßnahme
kommt, ist ohnehin nicht sicher. Ein positiver Arbeitsmarktbericht
für August, so meinen nun einige Beobachter, könnte die Währungshüter
vielleicht doch noch von dieser Maßnahme abhalten.
Summa summarum heißt das alles, dass Europas Aktienmarkt in den
nächsten Wochen Tummelplatz tradingorientierter Investorengruppen
sein wird - mehr noch als zuvor. Und diese Akteure benötigen in den
nächsten Wochen besonders starke Nerven. Eine rasante Korrektur ist
dabei nicht auszuschließen, denn das Interesse an Anschlusskäufen ist
zurzeit sehr klein. Sollten die Kurse noch etwas weiter nachgeben,
dürfte deshalb die Bereitschaft wachsen, die kräftigen Gewinne der
zurückliegenden Wochen zu verbuchen. Mit einem erneuten, elf Wochen
anhaltenden Anstieg der Börsen ist so schnell jedenfalls nicht zu
rechnen.
(Börsen-Zeitung, 25.8.2012)
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
413578
weitere Artikel:
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Strompreisen Bielefeld (ots) - Wenn es um Strompreise geht, wimmelt es von
Studien - Argument jagt Gegenargument. Verantwortlich will natürlich
niemand sein, weder Stromriesen noch Regierung. Eines ist
unbestreitbar: Nur die Industriekunden profitieren von sinkenden
Einkaufspreisen. Der private Stromkunde wird nicht entlastet, zahlt
oftmals sogar drauf. Ein wirklich effektives Mittel gegen diese
Unternehmenspolitik von Energiekonzernen wäre es, sich als Bürger
zusammenzutun. Nur als Kollektiv gibt es eine Chance auf mehr
Gerechtigkeit im Energiesektor. mehr...
- WAZ: Allein gelassen im Stromdschungel. Kommentar von Wolfgang Mulke Essen (ots) - Die Stromkunden werden mit ihrer Rechnung allein
gelassen. Denn ein gerechter Preis für Licht, Kühlung und warmes
Wasser lässt sich kaum verlässlich errechnen. Viele Faktoren spielen
dabei eine Rolle. Der Staat nimmt Steuern auf den
Elektrizitätsverbrauch, die Politik hat eine Umlage zur Förderung von
Ökostrom draufgeschlagen, der Transport vom Kraftwerk zum Kunden
kostet etwas und natürlich auch die Erzeugung und Investitionen in
das Gesamtsystem. Im Gegensatz zu vielen anderen Produkten fließt
Strom allerdings durch mehr...
- Schwäbische Zeitung: Dem Treiben Einhalt gebieten - Kommentar Leutkirch (ots) - Ist es in Ordnung, dass sich Anwälte eine
goldene Nase mit Abmahnungen verdienen, nur weil ein Onlinehändler
ein Impressum im Internet nicht korrekt angegeben hat? Rechtlich
leider ja, auch wenn es moralisch verwerflich ist. Ein ganzes Heer
von Advokaten hat sich in Deutschland mittlerweile darauf
spezialisiert, Internetnutzern die - bewusst oder unbewusst - gegen
geltendes Recht verstoßen, saftige Rechnungen zu präsentieren. Sie
werden tätig im Auftrag sowohl der Musik- und Filmindustrie als auch
von Onlinehändlern, mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Immobilienmarkt Osnabrück (ots) - Auch Betongold kann Risiken bergen
Die Euro-Krise macht es möglich: Der Immobilienmarkt boomt, sorgt
für volle Auftragsbücher in der Baubranche und für glückliche Makler.
Warum?
Erstens befinden sich die Zinsen auf Rekordtief. Zweitens finden
Sparer schwer seriöse Geldanlagen, die einen Ertrag versprechen, der
die Inflationsrate übertrifft. Drittens drängen Investoren aus
kriselnden Euro-Staaten nach München oder Berlin, um ihr Geld zu
sichern. Und viertens besteht die Gefahr, dass Europa den Kampf gegen mehr...
- "Der große Bahn-Check": Auftakt für Reihe, in der "Markt"-Reporter deutsche Groß-Unternehmen prüfen Hamburg (ots) - Verspätete Züge, teure Tickets, schmutzige
Toiletten und ein wahrer Tarifdschungel - in der Öffentlichkeit fällt
selten ein gutes Wort über die Deutsche Bahn. Das Image des größten
Transportkonzerns Europas ist bei seinen Fahrgästen nach wie vor
mies. Aber wie sehen die Fakten aus? Beschweren sich die Deutschen zu
Unrecht oder sind die ständigen Rüffel durchaus begründet? Um das
herauszufinden, nehmen die beiden NDR Reporter Susann Kowatsch und
Rainer Mueller-Delin den Betrieb unter die Lupe. Ihr Film "Der große
Bahn-Check" mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|