Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Anglizismen
Geschrieben am 03-09-2012 |
Bielefeld (ots) - »Der problembewusste Mensch kann die refined
Qualitäten mit spirit eben auch appreciaten.« Jil Sander hat das
gesagt, dabei wollte die Modefachfrau bloß die Binsenweisheit
übermitteln, dass ihre Kunden originelle Qualitätskleidung lieben. Es
gab Zeiten, da galt ein Deutscher als Ausbund an Weltläufigkeit, wenn
er den Conférencier zum Showmaster umetikettierte. Seit sich aber in
Wort und Schrift die Anglizismen tummeln, reißt die Kritik an der
Überfremdung der Sprache nicht mehr ab. Traditionsbewusste Bürger,
gelegentlich auch Pädagogen sehen unsere Muttersprache am offenen
Grabe stehen, ohne allerdings quantifizieren zu können, wieviele
englische Lehnwörter Mutter Sprache denn nun schultern könne, bevor
sie unter der Last mit einem letzten Seufzer in die Grube fährt. Die
Diagnose - drohender Tod der deutschen Sprache - klingt plausibel.
Leider. Doch sobald der Krankheitskeim identifiziert werden soll -
angeblich der Anglizismus - trübt sich im bürgerlichen Labor die
Linse. Bis zur Verschreibung eines wirkungslosen Rezepts - streiche
Airbag, setze Prallsack (und dergleichen Kuriositäten) - ist es dann
nur noch ein kleiner Schritt. Anglizismen vermeiden kann jeder. Wer
das deutsche Wort liebt, muss ja bei der Weltmeisterschaft nicht mehr
zum Public Viewing gehen, er geht ins Fußballkino. Und der wahre
IT-Profi hat, kühl bis ans Herz, seinen Computer längst als bloßen
Rechner demaskiert. Cool. Noch mal: Anglizismen muss keiner benutzen.
Dann ist das fremde Wort tot, es lebe die deutsche Sprache.
Entspanntes Zurücklehnen ist angesagt. Ja, wenn das so einfach wäre.
Dem Deutschen drohen Gefahren von ganz anderer Seite. Da sitzt das
Kleinkind, von gestressten Eltern ruhiggestellt, vor dem Fernseher,
aus dem Sätze bar jeder Grammatik quellen, bis es lull und lall ist.
In der Schule, wo kreative kleine Sprachbenutzer ihre Workbooks in
Würgbucks umgetauft haben, reicht es kaum je zur Bildung
vollständiger Sinneinheiten, stattdessen werden Lückensätze mit
Einzelwörtern zugestöpselt. Am Ende eines langen Lebens Reise ins
Fragment hütet dann der junge Erwachsene einen Wort-»Schatz«, dessen
zweiter Wortteil allerdings nur ein Euphemismus ist. Das ist die
Stunde des Anglizismus. Dem, der bloß lallt und lollt (von »LOL« =
laughing out loud), bietet er die Chance auf ein armseliges Häppchen
Bedeutung. »Wer von 'Kids' spricht, will sich anbiedern«, hat der
Autor Jens Bisky ganz richtig beobachtet - und sich gefreut, dass man
den Schleimer schon an seiner Wortwahl erkennen kann. Jil Sander zum
Beispiel. Nicht der Anglizismus killt unsere Sprache. Das besorgen
wir ganz ohne fremde Hilfe. Wo die Kunst des Lesens größerer
Texteinheiten verkümmert, ist irgendwann auch der letzte deutsche
Satz verklungen. Das ist gewiss nicht zu appreciaten. Zu ändern ist
es wahrscheinlich auch nicht.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
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