Mittelbayerische Zeitung: Die Saat des Hasses
Die islamische und die westliche Welt müssen besonnen auf die jüngsten Ereignisse reagieren. Leitartikel von Christian Kucznierz
Geschrieben am 14-09-2012 |
Regensburg (ots) - Mit dem Sturm auf die deutsche Botschaft im
Sudan hat am Freitag die Welle der Gewalt, die in der vergangenen
Woche losbrach, eine neue Dimension erreicht. Erstens, weil nun auch
Deutschland und nicht mehr nur die USA Ziel der Übergriffe wurde.
Zweitens, weil es diesmal nicht in einem Land geschah, das von dem
Umbrüchen des arabischen Frühlings betroffen war. Es ist eine
beunruhigende Entwicklung, auf die es besonnen zu reagieren gilt.
Denn der im Internet aufgetauchte Film "Die Unschuld der Muslime" mag
zwar Auslöser der Attacken, Proteste und Übergriffe sein. Er ist
nicht der Ursache. Die sitzt viel tiefer und besitzt gewaltige
Sprengkraft. Den kruden Film, der mit seiner Darstellung des
Propheten Mohammend die religiösen Gefühle der Muslime weltweit
verletzt, gibt es nicht erst seit dieser Woche. Er wurde schon vor
längerem produziert. Dass ein Trailer nun aber genau in der Woche
Verbreitung findet, in der sich der Jahrestag des 11. Septembers 2001
zum elften Mal jährt, dürfte kein Zufall sein. Ebenso wenig, dass der
Anschlag auf das US-Konsulat in der libyschen Stadt Bengasi sich an
diesem Tag ereignete. Mittlerweile steht zwar so gut wie fest, dass
das Attentat in Libyen, bei dem der US-Botschafter und drei weitere
US-Bürger getötet wurden, die Handschrift der Al-Kaida trägt und von
langer Hand geplant war. Er verwendete die fast zeitgleich
beginnenden Proteste gegen den Film in Ägypten aber als Deckmantel.
Und tags darauf begannen die Ausschreitungen im Jemen. Das Timing ist
auffällig. Alle drei Länder sind nach dem Sturz ihrer einstigen,
langjährigen Diktatoren alles andere als stabile Gebilde. Libyen hat
erst am vergangenen Mittwoch einen Regierungschef gewählt. Ägypten
ist gerade erst dabei, sich nach den ersten freien Wahlen nach dem
Sturz Mubaraks neu zu organisieren. Auch der Jemen sucht erst seinen
Weg in die Zukunft. In den Wirren der Aufstände und Neuanfänge kommen
viele politische und religiöse Strömungen an die Oberfläche, die von
den einstigen Regimen jahrelang unterdrückt waren. So muss es für die
USA verstörend sein, dass ausgerechnet in Libyen ein US-Diplomat
getötet wurde, also in dem Land, von dem dachte, es sei von einem der
führenden Antiamerikaner befreit worden. In Ägypten regieren die
Muslimbrüder. Sie wandern auf einem schmalen Grat zwischen der
Befriedigung der Interessen ihrer fundamental-islamischen Wähler und
dem Versuch, auch international als gemäßigt aufzutreten. Das Problem
ist, dass der Wunsch der Menschen nach Freiheit und nach
Gerechtigkeit, der die Revolutionen ausgelöst hat, in vielen Teilen
unerfüllt geblieben ist. Diese Lücke wussten nicht nur in Ägypten
fundamental-islamische Gruppen geschickt zu füllen. Sie mögen nur
einen Teil der jeweiligen Gesellschaft repräsentieren und zumeist
friedliche Ziele verfolgen. Aber der Islam hat zunehmend eine
identifizierende Funktion übernommen. Die vergangene Woche hat
gezeigt, dass über den Hebel der Religion schnell eine große Zahl von
Menschen mobilisiert und instrumentalisiert werden kann. Wer will,
könnte sagen, dass elf Jahre, nachdem die Al Kaida ihren Krieg gegen
die "Kreuzritter" begonnen hat, die Saat ihres Hasses flächendeckend
Früchte trägt. Beide Seiten, die islamischen Staaten ebenso wie die
USA und ihre Verbündeten, sind nun gefordert, die Scharfmacher in den
eigenen Reihen in Zaum zu halten. Der Flächenbrand in der islamischen
Welt ist bereits angefacht. Eine Explosion ist vielleicht nur noch
ein einen Funkenschlag weit entfernt.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
417574
weitere Artikel:
- Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR
Muslimischer Protest gegen den Westen
Gewalt verblendet
CARSTEN HEIL Bielefeld (ots) - Nun richtet sich der Protest tausender Muslime
auch gegen Deutschland. Gewalttätige Horden haben die deutsche
Botschaft im Sudan gestürmt und in Brand gesteckt. Vielleicht war es
nur Glück, dass keine Menschen verletzt oder sogar getötet wurden wie
noch am Mittwoch in Libyen, wo der US-Botschafter und drei seiner
Mitarbeiter vom tobenden Mob umgebracht wurden. Gegen alles, was
westlich ist, richtet sich derzeit der Zorn junger Männer in der
arabisch-muslimischen Welt. Schon ein kleines hirnloses Filmchen, im
Internet mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR
Debatten um Krafts Kurs
Macht-Mätzchen
FLORIAN PFITZNER, DÜSSELDORF Bielefeld (ots) - Hannelore Krafts Achillesferse bleibt die
Finanzpolitik. Zwar sind die Motive von Nordrhein-Westfalens
Ministerpräsidentin durchaus edel, präventiv zu investieren, in
Kitas, in den Klimaschutz, in die Kommunen. Zusätzlich möchte sie die
Armut im Land bekämpfen. Doch allein ihr fehlt das Geld. Um ihre
Worte mit Inhalt zu füllen, nimmt Kraft erneut Schulden auf und
unterhöhlt damit ihre schönen Absichten, insbesondere junge Menschen
zu unterstützen. Weder Kraft noch ihr Finanzminister Norbert
Walter-Borjans haben mehr...
- Schwäbische Zeitung: Der Zauber ist verflogen - Kommentar Leutkirch (ots) - Eine erste wichtige Zwischenetappe hat die
grün-rote Landesregierung hinter sich gebracht. Der Einstieg in den
grün-roten, bis ins Jahr 2020 ausgerichteten Ausstieg aus der
Schuldenpolitik ist mit den ersten belastbaren Ziffern belegt. Zu
noch härteren Einschnitten reichte der Mut nicht. Die Koalition muss
sich dennoch auf einen heißen Herbst und auf weniger Zuneigung
einstellen, weil der Zauber des Neuen und des anderen Stils verflogen
ist. Sympathischer aufzutreten als die Vorgängerregierung hilft auf
Dauer nicht mehr...
- BERLINER MORGENPOST: Fragen schnell beantworten / Leitarikel von Christine Richter Berlin (ots) - Die NSU-Spur hat Berlin erreicht: Das
Landeskriminalamt Berlin hat mehr als zehn Jahre lang mit einem
Informanten aus dem Unterstützerkreis der Terrorzelle
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) zusammengearbeitet. Obwohl
der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) schon im März davon
erfuhr, wurde dieser Umstand erst am Donnerstag dem
NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag bekannt. Zu Recht empören
sich die Bundestagsabgeordneten, denn sie können diese schrecklichen
Morde und das Versagen der Sicherheitsbehörden mehr...
- Schwäbische Zeitung: Der Fisch stinkt nicht nur am Kopf - Leitartikel Leutkirch (ots) - Ein offen als Neonazi auftretender
Bundeswehrsoldat wird nicht beobachtet, sondern vom Geheimdienst
umgarnt. Ein V-Mann gibt Ermittlern staatlich bezahlte Hinweise zu
untergetauchten Bombenbauern, die aber nur halbherzig verfolgt
werden.
Diese zwei Fälle aus dem NSU-Ausschuss zeigen, dass es jahrelang
offenbar unter der Würde deutscher Ermittler war, sich ernsthaft mit
rechten Gewalttätern zu beschäftigen. Neonazis - das waren für die
Staatsschützer tumbe Schläger, deren vorhersehbares Treiben man mit
vielen mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|