"DER STANDARD"-Kommentar: "Ein erbärmliches Schauspiel"
von Alexandra Föderl-Schmid
Geschrieben am 19-09-2012 |
Es geht nur noch darum, den Untersuchungsausschuss abzudrehen
- Ausgabe vom 20.9.2012
Wien (ots) - Es war ein erbärmliches Schauspiel, das am Mittwoch
im österreichischen Parlament geboten wurde: Tricksen, Täuschen,
Verzögern, Über-den-Tisch- und In-den-Dreck-Ziehen. Die Mittel dazu:
Fristsetzungsanträge, Zeugenladungen und Zeitfristen. In Wahrheit
ging es nur noch um die Frage, wann der parlamentarische
Untersuchungsausschuss beendet wird. Noch am Mittwoch oder am Freitag
oder doch erst Mitte Oktober? Vielleicht dann doch noch ein paar
Wochen länger? Dass der Ausschuss abgedreht wird, daran wollte indes
niemand schuld sein. Ach ja, aufklären wollen alle - behaupten sie.
Wer sich in diesen Tagen mit österreichischer Innenpolitik
beschäftigt, braucht einen guten Magen und einen klaren Blick. Mit
ihrem Rückzug vom Vorsitz im parlamentarischen Untersuchungsausschuss
hat die Grünen-Abgeordnete Gabriela Moser die anderen Parteien in ein
Chaos gestürzt. Auf diesen Schritt waren sie offenkundig nicht
vorbereitet - kein Wunder in einem Land, in dem es keine
Rücktrittskultur gibt. Wobei Moser Wert darauf legt, den Weg
freigemacht zu haben, was mehr als ein semantischer Unterschied ist.
Sie geht erhobenen Hauptes, selbst politische Gegner zollen ihr zu
Recht Respekt. Die Grünen haben mit dieser Entscheidung die Frage
beantwortet, ob es ihnen um Prestige - also die Vorsitzführung - oder
die Sache geht: die Fortführung des Untersuchungsausschusses. Die
Bekenntnisse der anderen Parteien, es ernst zu nehmen mit der
Korruptionsbekämpfung, wurden nach Mosers Schritt endgültig als hohle
Phrase entlarvt. Jeder gegen jeden war das Motto. Wobei sich SPÖ und
ÖVP in Sachen Ausschussverhinderung einiger zeigen als in anderen
politischen Fragen wie der Wehrpflicht. Die Sozialdemokraten haben
das Kunststück zuwege gebracht, von einem potenziellen Profiteur der
Ausschussarbeit zum Verdächtigen zu werden. Standen am Anfang
Enthüllungen aus der schwarz-blauen Regierungszeit im Mittelpunkt, so
wurde immer mehr ein rotes Waterloo daraus. Indem die SPÖ verhindert,
dass ihr Kanzlerparteichef Werner Faymann im Ausschuss über die
Inseratenvergabe an Boulevardmedien Auskunft gibt, muss sie sich die
Frage gefallen lassen, was verborgen bleiben soll. Ein
eindrückliches Beispiel, dass es die SPÖ noch immer nicht verstanden
hat, wie sehr sie sich selbst belastet, lieferte Geschäftsführer
Günther Kräuter im ORF-Report. Er unterstellte mehrfach, man wolle
Faymann nur laden, "weil es eine besondere Hetz und es der Herr
Bundeskanzler ist". Er wiederholte immer wieder, es sei "fair und
sachlich, wenn alle Regierungsmitglieder kommen, die inserieren".
Den Unterschied, dass gegen Kanzler Faymann und Staatssekretär Josef
Ostermayer wegen der Inseratenvergabe ermittelt wird, darauf ging
Kräuter nicht ein. Auch nicht, welche Minister er meine. Die
jetzigen? Die vom Kabinett Gusenbauer, als Faymann Verkehrsminister
war und die beanstandeten Inserate erschienen? SPÖ und ÖVP wollen in
dieser Sache Aufklärung verhindern, in dem sie eine Ladung
blockieren. Dass sie auch FPÖ und BZÖ helfen, damit keine weiteren
Skandale aus ihrem Bereich mehr zur Sprache kommen, nehmen sie in
Kauf. Und auch, dass sich immer mehr von diesem Schauspiel, von
dieser Politik, von diesen Politikern abwenden.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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