BERLINER MORGENPOST: Merkels teure Symbolpolitik
Sebastian Jost über die Finanztransaktionssteuer
Geschrieben am 09-10-2012 |
Berlin (ots) - Es sind keine schönen Botschaften, mit denen Angela
Merkel nach Griechenland gereist ist. Weitere schmerzliche Reformen
verlangt die Kanzlerin von dem Krisenland. Doch zeitgleich
signalisierte die Bundesregierung im fernen Luxemburg, dass sie die
Südländer nicht alleinlassen will mit den Lasten der Krise. Auch ihre
Verursacher sollen zahlen - über eine Finanztransaktionssteuer. Die
neue Abgabe ist die eierlegende Wollmilchsau der Fiskalpolitik -
zumindest für die EU-Kommission, die Bundesregierung und einige
andere Länder. Sie soll mehrere Ziele erreichen: Sie soll die Banken
bestrafen und schädliche Spekulationen eindämmen. Und sie soll den
Finanzministern Einnahmen bescheren, ohne den Kleinsparer zu
belasten. Doch diese hohen Erwartungen wird die Steuer, die die elf
Länder nun einführen wollen, nie und nimmer erfüllen. Zwar ist eine
Finanztransaktionssteuer nicht grundsätzlich Teufelszeug. Nicht
umsonst hat sie auch Befürworter unter Ökonomen, die sonst nicht
unbedingt einer Nähe zum Etatismus verdächtig sind. Theoretisch kann
sie ähnlich wirken wie die allgemeine Mehrwertsteuer, wie man sie aus
dem Supermarkt kennt. Das Geld, das der Staat auf diesem Wege
einnimmt, könnte er den Bürgern an anderer Stelle zurückgeben. Doch
die Initiative in Europa folgt eben nicht diesem Muster. Von
kompensierenden Steuersenkungen an anderer Stelle ist keine Rede. Vor
allem aber wird die Transaktionssteuer nicht so flächendeckend
erhoben werden, wie es für eine sinnvolle Umsatzsteuer notwendig ist.
Maßgebliche Finanzplätze wie London oder Luxemburg bleiben außen vor.
Und anders als der Wochenendeinkauf, für den man an den Supermärkten
in der Nähe kaum vorbeikommt, sind Finanzgeschäfte höchst mobil.
Gerade Profianleger werden alles daransetzen, ihre Geschäfte dorthin
zu verlagern, wo die Steuer nicht anfällt. Sie werden in andere
Länder abwandern oder aber in unregulierten Hinterzimmern handeln
statt über transparente Börsen. Genau die Schattenbanken, die zu
Recht als ein Herd der letzten Finanzkrise ausgemacht wurden, werden
gefördert. Damit macht die Transaktionssteuer künftige Krisen eher
wahrscheinlicher als unwahrscheinlicher. Und selbst die
verteilungspolitischen Argumente entpuppen sich schnell als
Augenwischerei. Denn während vermögende Anleger nach den
Schlupflöchern der neuen Steuer suchen werden, trifft sie die
Kleinsparer, die neben dem Sparbuch eine einfache Lebensversicherung
oder einen Fondssparplan haben, mit voller Wucht. Einen Zuwachs an
sozialer Gerechtigkeit sucht man da vergebens. Die Transaktionssteuer
beschert lediglich Finanzminister Schäuble etwas mehr Geld und Merkel
einen Scheinerfolg über die Krisenverursacher. Dafür nehmen die
beteiligten Regierungen in Kauf, Teile der Finanzbranche aus ihren
Ländern zu vertreiben. Ein Lehrstück für teure Symbolpolitik.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
422091
weitere Artikel:
- Weser-Kurier: Zu Merkels Besuch in Athen schreibt der Bremer "Weser-Kurier" in seiner Ausgabe vom 10. Oktober: Bremen (ots) - Herausgekommen ist beim Besuch in Athen ein
Balanceakt. Nette Sätze wie "Wir sind Freunde" beim Treffen mit
Regierungschef Antonis Samaras. Die Ankündigung, dass zwei unter
deutscher Betreuung stehende EU-Projekte mit einem Volumen von 30
Millionen Euro starten können. Und natürlich die Mahnung an die
Gastgeber, beim Sparen nicht nachzulassen. Merkel hatte keine
Geschenke im Gepäck, aber auch keine Daumenschrauben. Sie will
Griechenlands Finanzen nicht gegen die Wand fahren lassen, sie will
aber auch keine Rettung mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu USA / Wahlen / Romney / Obama Osnabrück (ots) - Fehlerhaft
Für Mitt Romney ist die Rechnung voll aufgegangen. Zwar ist sein
Umfrage-Vorsprung hauchdünn und wird außerdem von einem konservativen
Meinungsforschungsinstitut verbreitet. Dass Romney gegen den
favorisierten Amtsinhaber Obama überhaupt einmal die Nase vorn hat,
überrascht aber.
Seine zahlreichen Patzer, meinte das Obama-Lager wohl, überlebt
Romney politisch nicht. Im schillernden US-Wahlkampf ist ein
verfrühtes Frohlocken jedoch gefährlich. Obamas Team hat sich diesen
schweren Fehler geleistet mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Europa / Finanzkrise / Finanztransaktionssteuer Osnabrück (ots) - Überfällig
Die Kosten der Finanzkrise summieren sich weltweit auf
Billionenbeträge. Das heißt, auf Tausende von Milliarden Euro. Die
Verursacher, also den Finanzsektor, daran zu beteiligen ist
selbstverständlich. Theoretisch. In der Praxis haben selbst die
Stürme und Turbulenzen der jüngsten Vergangenheit noch nicht alle
Regierungen wachgerüttelt.
Es ist deshalb gut, wenn elf EU-Staaten jetzt vorangehen und eine
Finanztransaktionssteuer einführen. Wer es ernst meint mit der
Bändigung der Finanzwelt und mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Energie / Strom / Preise Osnabrück (ots) - Merkels teurer Energiemurks
Was sich die Bundesregierung bei der Energiewende leistet, ist
finster. Noch 2011 hatte Kanzlerin Angela Merkel versprochen, die
Ökostrom-Umlage dürfe nicht über rund 3,5 Cent pro Kilowattstunde
steigen. Die Realität ist eine andere: Die Bundesnetzagentur erwartet
einen Anstieg der Zwangsabgabe zur Subventionierung erneuerbarer
Energien auf über fünf Cent. Das heißt: Strom wird für immer mehr
Haushalte zu einem kaum noch bezahlbaren Gut. Davor warnen
Verbraucherschützer und Sozialverbände mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Griechenland / Deutschland / EU / Finanzen / Proteste Osnabrück (ots) - Respektables Treffen
Ganz gleich, wie es mit Griechenland und der Euro-Krise
weitergeht: Dieses Treffen Angela Merkels mit dem griechischen
Ministerpräsidenten Antonis Samaras wird in Erinnerung bleiben.
Hakenkreuzfahnen und Nazi-Vergleiche, ein immenses Aufgebot an
Sicherheitskräften und die große Masse auch friedlicher
Demonstranten: Das hat es angesichts der Reise eines bundesdeutschen
Regierungschefs ins Ausland wohl noch nie gegeben.
Samaras wie Merkel gebührt für ihren Auftritt Respekt. Genau
diesen mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|