Westdeutsche Zeitung: Die ganz besondere amerikanische Freiheit =
von Martin Vogler
Geschrieben am 16-12-2012 |
Düsseldorf (ots) - Wenn unter den Opfern eines Massakers 20 sechs-
und siebenjährige Kinder sind, ist das unerträglich. Sogar der
amerikanische Präsident hat geweint. Aus unserer deutschen Sicht ist
klar, dass die Amerikaner jetzt endlich ihre Waffengesetze ändern
müssen. Denn kann es sein, dass die alte Wildwest-Romantik mit ihrem
Freiheitsbegriff sich darin ausdrückt, dass statistisch gesehen fast
jeder Amerikaner über eine Schusswaffe verfügt? Warum werden jedes
Jahr 30 000 Menschen mit solchen Waffen getötet? Warum hat sich
bislang kein amerikanischer Politiker getraut, an diesen Gesetzen
etwas zu reformieren? Nein, sagen wir aus unserer klassischen
europäischen Denke. Das kann alles nicht wahr sein. Aktuell scheinen
die Vorzeichen, dass sich jetzt in den USA etwas bewegt, gut zu sein.
Gerade angesichts der Jugend der meisten Opfer steht die Nation unter
Schock. Präsident Barack Obama hat gerade die Wiederwahl geschafft.
Er kann sich also mit Teilen der Bevölkerung anlegen. Und sogar die
Waffenlobby selbst reagiert aktuell auffällig verhalten. Sie scheint
die Diskussion zu scheuen - oder taktisch darauf zu setzen, dass sich
die Emotionen wieder abkühlen und das Vergessen überwiegt. Sie
könnten damit, wenn sich die erste Aufregung gelegt hat, Erfolg
haben. Denn die Haltung vieler Amerikaner ist mit europäischem Denken
kaum zu begreifen. Und ein seit 220 Jahren in der Verfassung
verbrieftes Recht lässt sich nicht so schnell ausmerzen. Das wird
auch Obama kaum schaffen. Egal, wie hartnäckig er daran arbeitet. Er
bekäme wahrscheinlich keine Mehrheit im Kongress für eine
Verfassungsänderung. Und die Möglichkeit, dass das oberste US-Gericht
seine zuletzt 2008 deutlich geäußerte Meinung pro Waffenbesitz
ändert, ist ebenfalls gering. Zudem würde jede Änderung kompliziert,
weil derzeit rund 20 000 Vorschriften das Waffenrecht in den USA
regeln. Auch wenn es aus europäischer Sicht unverständlich ist: Die
Amerikaner werden wahrscheinlich sogar nach diesem grausamen Erlebnis
ihr Waffenrecht nicht ändern. Wobei wir nicht allzu hochnäsig über
den Atlantik blicken sollten. Schließlich hatten auch wir - trotz
restriktiver Regelungen und Kontrollen etwa von Jägern und
Sportschützen - ähnlich gelagerte Geschehnisse.
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