Schwäbische Zeitung: Erst Pech, dann Steinbrück - Leitartikel
Geschrieben am 11-01-2013 |
Leutkirch (ots) - Einmal angenommen, Angela Merkel würde auf
europäischem Parkett versagen. Sie würde in der Wirtschaftspolitik
schlechte Noten bekommen. Dann wäre Peer Steinbrück sozusagen die
geborene Alternative zur Kanzlerin. Denn der SPD-Herausforderer ist
ein kluger Politiker, er war ein guter Finanzminister. Und er könnte
mit Sicherheit auch ein guter SPD-Kanzlerkandidat sein, wenn das
Kernthema des SPD-Wahlkampfs nur ein anderes wäre als die Frage der
sozialen Gerechtigkeit.
Erst hatte die SPD Pech, dann kam auch noch Peer Steinbrück hinzu,
lästerte bereits Unionsfraktionschef Volker Kauder. In der Tat hatte
der SPD-Kanzlerkandidat zunächst einen verpatzten Start, nachdem
seine hohen Vortragshonorare bekannt geworden waren. Dann kam, fast
noch schlimmer, seine abgehobene Äußerung hinzu, er trinke keinen
Wein unter fünf Euro. Dabei weiß zumindest im Süden der Republik
jeder, dass es auch zu diesem Preis anständige Weine gibt. Wie aber
will ein Vortragsmillionär, der edle bis edelste Tropfen schätzt,
glaubhaft machen, dass er sich um Niedrigstverdiener kümmert, um die
Rentnerin, um benachteiligte Kinder? Kann sich jemand vorstellen,
dass Peer Steinbrück bei Kita-Besuchen oder in Pflegeheimen gut
herüberkommt?
Nein, für das Thema des SPD-Wahlkampfs, für die Warnung vor einer
sich immer noch tiefer spaltenden Gesellschaft, da wäre SPD-Vize
Hannelore Kraft die glaubwürdigste Kandidatin gewesen. Vielleicht
auch Parteichef Sigmar Gabriel selbst, der gerade mit seinen
Erinnerungen an seinen Nazi-Vater zeigt, wie emotional er sein kann.
Aber Peer Steinbrück hat wenig Chancen, die Deutschen zu berühren.
Er kann glaubhaft machen, dass er für eine vernünftige und
gerechte Wirtschafts- und Finanzpolitik kämpft. Aber die Rolle, die
ihm seine Partei nun abverlangt, der Vorkämpfer für mehr soziale
Gerechtigkeit in Deutschland zu sein, die passt - sozusagen von Haus
aus - nicht zu ihm. Und bis jetzt hat er einfach noch keine
Geschichte erzählen können, warum sie doch passen sollte.
Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
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