Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Präsidentenwahl in Tschechien: "Bewundernswert eindeutig"
Geschrieben am 27-01-2013 |
Regensburg (ots) - In Berlin und Brüssel hätten vermutlich die
Sektkorken geknallt, wenn Karel Schwarzenberg bei der tschechischen
Präsidentenwahl die Sensation gelungen wäre. Der Außenminister hat
seine Wurzeln nicht nur in Böhmen, sondern auch in Deutschland,
Österreich und der Schweiz. Er ist ein begeisterter Europäer.
Präsident in Prag wird er nun aber nicht, obwohl sich der Fürst im
Wahlkampf von neun Prozent Unterstützung zu Jahresbeginn auf 45
Prozent der Stimmen im Stichentscheid vorgearbeitet hat.
Staatsoberhaupt im Herzen Europas wird der Linkspopulist Milos Zeman.
Das ist bitter für alle, die sich mit Schwarzenberg einen Schub für
die europäische Einigung erhofft hatten. Eine Katastrophe ist das
Wahlergebnis aber nicht. Zeman ist bei allem Hang zum Populismus kein
außenpolitischer Irrläufer wie sein Vorgänger Vaclav Klaus. Er will
und wird die Tschechen mit Europa versöhnen. Der notorische EU-Hasser
Klaus hat den politischen Diskurs in Prag über zehn Jahre hinweg in
eine provinziell-nationalistische Richtung gelenkt. Das kann sich ein
Land mitten in Europa auf Dauer nicht leisten. Damit ist nun Schluss,
und das ist gut so. Tschechien ist im Gegensatz zur Slowakei noch
nicht Mitglied der Euro-Zone. Das kann sich mit Zeman mittelfristig
ändern, muss es aber nicht. Alles wird davon abhängen, wie viel
Streit der neue Präsident in Prag entfacht. Ruhe und Berechenbarkeit
im Innern würden Tschechiens Position nach außen stärken. Allerdings
hat der designierte Staatschef noch am Wahlabend klar gemacht, dass
er auf Konfrontation gepolt ist. Zeman will Neuwahlen erzwingen, um
sich und dem Land eine linke Mehrheit zu sichern. Seine
verfassungsgemäße Aufgabe als Präsident ist das zwar nicht. Legal und
politisch legitim ist es aber sehr wohl. Die liberal-konservative
Regierung von Ministerpräsident Petr Necas hat mit einem unpopulären
Sparkurs viel Zustimmung eingebüßt. Zeman dagegen ist mit einem
bewundernswert eindeutigen Programm in den Wahlkampf gezogen. Er
wolle Tschechien in einen Wohlfahrtsstaat nach dem Vorbild Schwedens
umgestalten, hat Zeman bei jeder Gelegenheit betont. "Steuern rauf!",
lautet seine Devise. Dafür soll der Staat anschließend für Schüler,
Studenten, Familien und auch im Gesundheitssystem mehr leisten. Für
diese Vision, in deren Zeichen Zeman angetreten ist, haben sich bei
dem Urnengang am Freitag und Samstag 55 Prozent der Wähler
ausgesprochen. Das ist angesichts einer für tschechische Verhältnisse
hohen Wahlbeteiligung von fast 60 Prozent eine Entscheidung, die
niemand ignorieren kann. Necas sollte es sich deshalb gut überlegen,
ob er seinerseits die Konfrontation sucht. Es könnte der Anfang
seines Endes sein, denn die größere Legitimation hat im Augenblick
Zeman. Die Tschechen haben mit dieser ersten Direktwahl ihres
Präsidenten mehr Demokratie gewagt. Es war ein gelungenes Experiment,
an dem sich manch anderes Land in Europa ein Beispiel nehmen kann.
Viele politikmüde Bürger sind aufgewacht und haben den
spannungsgeladenen Debatten der Kandidaten aufmerksam zugehört. Dass
Zeman dabei gepoltert und gepöbelt hat, mag man bedauern. Schlimmer
noch: Er hat seinen Gegner mehrfach unfair attackiert und ihm die
Heimatliebe abgesprochen. Dabei ist Schwarzenberg alles andere als
ein "vaterlandsloser Geselle". Er selbst nennt sich einen
"Mitteleuropäer". Damit ist er im besten Sinne ein tschechischer
Patriot. Auch Zemans Spiel mit antideutschen Ressentiments war
unschön und billig. Die Grenzen des gerade noch zulässigen Populismus
hat der künftige Präsident aber nicht überschritten. In Berlin täte
man deshalb gut daran, die schrillen Töne des Wahlkampfes zu
überhören und sich auf das Gemeinsame zu konzentrieren. Angesichts
der bevorstehenden Debatten über das Wesen einer neu gestalteten EU
wäre ein deutsch-tschechischer Streit über die Vergangenheit so
ziemlich das Letzte, was Europa braucht. Autor: Ulrich Krökel
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
443474
weitere Artikel:
- Rheinische Post: Barmer GEK denkt über Zusatzbeitrag für 2015 nach Düsseldorf (ots) - Die größte deutsche Krankenkasse, die Barmer
GEK, erwägt Zusatzbeiträge. "In diesem und im nächsten Jahr wird die
Barmer GEK ohne Zusatzbeiträge auskommen. Doch für 2015 werden viele
Kassen darüber nachdenken müssen, auch die Barmer", sagte Heiner
Beckmann, Chef der Barmer GEK Nordrhein-Westfalen, der in Düsseldorf
erscheinenden "Rheinischen Post" (Montagausgabe). Sparpotenzial sieht
Beckmann bei Krankenhäusern. Er verwies auf das starke Wachstum bei
Knie- und Hüft-Operationen. "Knie- und Hüft-Operationen werden mehr...
- Rheinische Post: AOK-Studie: Jede sechste Arzneimittelverordnung birgt gefährlichen Medikamenten-Mix Düsseldorf (ots) - Jede sechste Arzneimittelverordnung birgt das
Risiko von gefährlichen Wechselwirkungen mit einem anderen
Medikament. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Wissenschaftlichen
Instituts der AOK (WIdO), die der in Düsseldorf erscheinenden
"Rheinischen Post" (Montagausgabe) vorliegt. Besonders betroffen sind
ältere Menschen mit mehreren Erkrankungen, vor allem
Pflegeheim-Bewohner. Ausgewertet wurden die rund 65 Millionen
verordneten Verpackungen für die 24 Millionen AOK-Versicherten
bundesweit aus dem ersten Quartal mehr...
- Rheinische Post: Steinbrück geht auf Welttournee Düsseldorf (ots) - Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will in
den kommenden Monaten Europa und die USA bereisen, um sich als
Außenpolitiker in Szene zu setzen und damit Bundeskanzlerin Angela
Merkel auf dem Feld der internationalen Politik zu begegnen. Das
erfuhr die in Düsseldorf erscheinende "Rheinische Post"
(Montagausgabe) aus SPD-Fraktionskreisen. In Washington sei ein
Treffen mit Vizepräsident Joe Biden und dem künftigen Außenminister
John Kerry im Gespräch. In Paris werde der Merkel-Herausforderer den
französischen Präsidenten mehr...
- Kölner Stadt-Anzeiger: Laschet: CDU muss sich von FDP abgrenzen Köln (ots) - Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet
hat dafür plädiert, dass sich die CDU im kommenden
Bundestagswahlkampf stärker von der FDP abgrenzt. "Wir werden in
diesem Wahlkampf auf uns schauen", sagte er dem "Kölner
Stadt-Anzeiger" (Montag-Ausgabe). "Wer Angela Merkel will, der muss
Angela Merkel wählen. Da ist die FDP ein Wettbewerber." Zwar gebe es
mit den Liberalen nach wie vor die größte Schnittmenge, so Laschet,
der CDU-Chef in Nordrhein-Westfalen ist. Andererseits sei ein Teil
der Probleme am Beginn der mehr...
- Kölner Stadt-Anzeiger: Union: Polizisten im Streikfall an Airports einsetzen Köln (ots) - Die Forderung des Kölner Flughafenchefs Michael
Garvens, die Bundespolizei müsse im Falle eines Streiks des privaten
Sicherheitspersonals dessen Aufgaben mit übernehmen, ist auf
unterschiedliche Reaktionen gestoßen. "Ich halte es für denkbar, dass
die Bundespolizei diese Aufgabe im Streikfall freiwillig mit
übernimmt - wenn sie denn schon dort ist", sagte der innenpolitische
Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, dem "Kölner
Stadt-Anzeiger" (Montag-Ausgabe). "So ließe sich das Problem lösen."
In Regierungskreisen mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|