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Wer hat größere Rechte? / Eigenbedarfskündigungen sind vor Gericht oft heftig umstritten (BILD)

Geschrieben am 11-02-2013

Berlin (ots) -

Auf den ersten Blick ist alles ganz einfach: Wenn jemand eine
Wohnung oder ein Haus besitzt, dann sollte es ihm auch möglich sein,
nach Wunsch darin zu wohnen. Schließlich handelt es sich ja um
persönliches Eigentum, das grundgesetzlich abgesichert ist. Auf den
zweiten Blick wird das alles aber schon komplizierter: Denn was ist,
wenn genau in dieser Immobilie bereits andere Menschen wohnen, die
das Objekt im Vertrauen auf eine langfristige Nutzung gemietet haben?
Wessen Rechte überwiegen dann?

Genau in diesem Spannungsfeld befinden sich die Verfahren wegen
Eigenbedarfskündigung. Die Rechtsprechung hat im Laufe der
zurückliegenden Jahrzehnte viele mögliche Konstellationen geprüft und
darüber entschieden, wann der Eigenbedarf höher zu bewerten ist als
die Rechte eines Mieters und umgekehrt. Der Infodienst Recht und
Steuern der LBS hat in seiner Extra-Ausgabe acht Urteile zu diesem
Thema gesammelt.

Grundsätzlich gilt die Regel, dass betagte Mieter, die oft schon
sehr lange in dem Objekt leben, einen besonderen Schutz genießen. Sie
können, je kränker sie sind, umso weniger gezwungen werden, ihre
angestammte Heimat zu verlassen. Doch das Alter ist nicht immer ein
zwingendes Argument, wie zwei gegenlautende Urteile beweisen.

Das Amtsgericht Dieburg (Aktenzeichen 20 C 29/12) betrachtete es
zwar als unzumutbar, einer 83-jährigen Frau wegen Eigenbedarfs zu
kündigen. Die Betroffene konnte zwei ärztliche Gutachten vorlegen,
wonach sie in ihrer Bewegungsfähigkeit so eingeschränkt sei, dass
Umzug und Neubeginn an einem anderen Ort kaum vorstellbar seien.
Erschwerend kam hinzu, dass die neue Eigentümerin bereits beim Erwerb
gewusst hatte, dass die Immobilie seit vielen Jahren von einer
älteren Dame bewohnt wird.

Einem ein Jahr älteren, also 84-jährigen Mieter wurde jedoch genau
das zugemutet, was man im vorigen Fall für unmöglich gehalten hatte.
Der Mann wohnte seit vier Jahrzehnten in einer 68 Quadratmeter großen
Wohnung und sollte weichen, weil eine vierköpfige Familie aus ihrer
bisherigen 54 Quadratmeter großen Mietwohnung in die eigene Immobilie
umziehen und sich so wenigstens ein klein wenig räumlich vergrößern
wollte. Das Landgericht Frankfurt/Main (Aktenzeichen 2-11 S 110/11)
stimmte dem zu. Der Mieter sei trotz mancher Behinderungen noch
ausreichend mobil für einen Umzug. Man dürfe bei alledem die
Entwicklungsmöglichkeiten für die beiden Kinder der Eigentümer nicht
aus dem Blick verlieren, deswegen sei es zu der Entscheidung
gekommen.

Wer fällt überhaupt unter den Personenkreis, zu dessen Gunsten
wegen Eigenbedarfs gekündigt werden kann? Bei Kindern und Eltern des
Eigentümers gibt es keine Zweifel, bei ihm selbst ohnehin nicht. Aber
auch Nichten und Neffen zählen nach einem Urteil des
Bundesgerichtshofs (Aktenzeichen VIII ZR 159/09) dazu. Zwar liefere
der Gesetzgeber in der Hinsicht keine genauen Vorgaben, heißt es in
dem schriftlichen Urteil, aber "die generelle Einbeziehung von
Nichten und Neffen in den Kreis der privilegierten
Familienangehörigen" auch in anderen Rechtsgebieten spreche deutlich
dafür. Ausdrücklich nennen die Richter in dem Zusammenhang das
Zeugnisverweigerungsrecht, das die Geschwisterkinder besäßen.

Oft kommt es in einem Eigenbedarfsverfahren gar nicht zu einem
gerichtlichen Urteil. Wenn die beiden Parteien zuvor einen Vergleich
schließen, erübrigt sich das. In einem Mannheimer Fall war die
Sachlage noch etwas komplizierter. Die Eigentümer hatten ihren
Mietern gekündigt, dann hatte man einen Vergleich geschlossen. Später
aber stellte sich heraus, dass die ursprünglich genannten Gründe gar
nicht ausgereicht hätten. Die Mieter fühlten sich geprellt und
forderten Schadenersatz. Dem aber widersprach das Amtsgericht
Mannheim (Aktenzeichen 9 C 452/11). Der Vergleich und die damit
verbundene Zahlung von 3.000 Euro an die Mieter schließe eine
nachträgliche Bezugnahme auf die anfangs dargelegten Kündigungsgründe
aus.

Wenn der Eigentümer eine Hausangestellte bzw. ein Au-Pair-Mädchen
in seiner vermieteten Wohnung unterbringen will, dann ist das als
berechtigtes Interesse zu bewerten. Der Betroffene hatte das Objekt
erst kurz zuvor im Zuge einer Umwandlung in Wohnungseigentum
erworben. Die Mieter waren deswegen der Meinung, es gelte hier die
gesetzliche Sperrfrist, wonach eine Eigenbedarfskündigung erst nach
Ablauf von zehn Jahren möglich sei. Der Bundesgerichtshof
(Aktenzeichen VIII ZR 127/08) stellte jedoch fest, es handle sich um
ein berechtigtes Kündigungsinteresse jenseits des klassischen
Eigenbedarfs.

Wer unbedingt seine Wohnung selbst nutzen und den Mietern bzw. dem
Gericht überzeugende Gründe für seinen Eigenbedarf darlegen will, der
ist schon mal versucht, dabei deutlich zu übertreiben. Eine
Eigentümerin stellte es fälschlicherweise so dar, als ob Wohnen und
Arbeiten bisher nicht unter einem Dach gelegen seien und sie deswegen
dringend auf eine Zusammenführung angewiesen sei. Der
Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VIII ZR 70/09) monierte das zwar als
eine objektiv unrichtige Darstellung, ließ aber die Kündigung
trotzdem gelten, weil der Eigenbedarf im Prinzip durchaus vorhanden
gewesen sei - wenn auch nicht unter ganz so dramatischen Umständen.

Läuft eine Kündigung wegen Eigenbedarfs, dann hat der Vermieter es
anzuzeigen, falls eine ihm gehörende vergleichbare Wohnung
zwischenzeitlich frei wird. Sie muss dem gekündigten Mieter als
Alternative angeboten werden. In jedem Falle sei das dann nötig, wenn
das Objekt in derselben Wohnlage oder sogar im selben Haus liegt,
entschied der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VIII ZR 78/10). Hier
hatte die ursprüngliche Wohnung eine Größe von 45 Quadratmetern, die
frei gewordene Immobilie im selben Haus war 60 Quadratmeter groß.
Deswegen könne man durchaus von Vergleichbarkeit der Immobilien
sprechen, hieß es im Urteil.

Wenn eine eigens dafür gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts
(BGB-Gesellschaft) eine Immobilie kauft, um später Wohnraum für die
einzelnen Mitglieder zu schaffen, dann darf sie wegen Eigenbedarfs
kündigen. Hier hatten acht Gesellschafter ein Anwesen in München
erworben. Noch vor der Umwandlung in Wohneigentum kündigte die
Gesellschaft den Mietern, die das nicht akzeptierten. Der
Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VIII ZR 231/08) entschied allerdings,
dass hier die geltenden Schutzvorschriften nicht umgangen worden
seien.



Pressekontakt:
Dr. Ivonn Kappel
Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen
Referat Presse
Tel.: 030 20225-5398
Fax: 030 20225-5395
E-Mail: ivonn.kappel@dsgv.de


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