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DER STANDARD-KOMMENTAR "Die widerwillige Gleichstellung" von Irene Brickner

Geschrieben am 19-02-2013

Karls Reaktion auf den Straßburger Spruch zur
Homo-Stiefkindadoption ist typisch - Ausgabe vom 20.2.1013

Wien (ots) - Doch, Handlungsbedarf bei den Rechten von
Homosexuellen in Österreich herrscht durchaus. Diese Erwiderung muss
man sich in der ÖVP, wo man genau das gestern noch abgestritten
hatte, jetzt gefallen lassen. Denn obwohl es in dem am Dienstag
veröffentlichten Straßburger Urteil ausschließlich um die
Stiefkindadoption unverheirateter gleichgeschlechtlicher Paare geht -
also weder Lesben und Schwulen die Ehe geöffnet wird, noch ihnen
gemeinsam Adoptionsrechte gewährt werden: Der Spruch der europäischen
Menschenrechtsrichter ist ein Dämpfer für die Selbstgefälligkeit, die
die ÖVP seit Einführung der Eingetragenen Partnerschaften (EP) in
Homosexuellenfragen ergriffen hat. Deren Beschluss war für Österreich
zwar epochal, aber die Gleichstellung Homosexueller ist damit noch
keineswegs erreicht. Auch abseits der EPs herrscht
Ungleichbehandlung. Dieses Selbstlob war zuletzt in der Reaktion des
schwarz regierten Justizministeriums auf den Vorstoß Frauenministerin
Gabriele Heinisch-Hoseks (SPÖ) für völlige Gleichstellung zu erkennen
gewesen: Die existierenden Regelungen für homosexuelle Paare in
Österreich seien "gut", hieß es aus dem Büro Beatrix Karls. Das mag
so sein, aber nur, wenn man die Benachteiligung
gleichgeschlechtlicher Paare aus ideologischen Gründen befürwortet,
wie Karl es in Reaktion auf den jetzigen Straßburger Spruch ganz
offen sagt. Die Justizministerin will die österreichische
Gesetzeslage jetzt nur im nötigen Mindestmaß reparieren. Sie tritt
dafür ein, dass die "reguläre Adoption" auch in Zukunft
heterosexuellen Ehegatten vorbehalten bleibt. Damit macht sie klar,
dass, solange die ÖVP in diesen Dingen führend das Sagen hat, auch
die letzten ausständigen Rechte für gleichgeschlechtlich Liebende -
jene, die mit Familiengründung und Kinderkriegen zusammenhängen - in
Österreich nur mit Trippelschritten angepeilt werden. Konkret immer
nur dann, wenn ein Höchstgericht in diese Richtung entschieden hat:
So wie es in Sachen Homosexuellengleichstellung hierzulande immer
war, seit diese vor mehreren Jahrzehnten zum Thema wurden. Was
Lesben- und Schwulengleichstellung betrifft, war und ist Österreich
nie wirklich Teil von Westeuropa. Dort nämlich wurden die Öffnung der
Ehe und Adoptionsrechte politisch erstritten und durchgesetzt. Auf
diesen Unterschied - und diesen Nachholbedarf - wurde Österreich
jetzt erneut hingewiesen, von den Straßburger Richtern, obwohl diese
beim Thema Lesben- und Schwulenrechte traditionell ohnehin eher
zurückhaltend sind. Denn sie sind mit 47 Europarat-Mitgliedstaaten
konfrontiert, die - sagen wir - sehr unterschiedliche Zugänge zum
Thema Homosexualität an den Tag legen: von den Nachzüglern wie der
Türkei und den Balkanstaaten hin zu den Musterschülern wie Schweden
und andere skandinavische Länder. In der Gesamtschau sieht Straßburg
daher bis dato keine stabile Rechtsgrundlage, um die großen Brocken
Ehe und Paar-Adoptionsrecht anzugehen. Aber bei den Einzelrechten
folgen sie strikt dem Gleichstellungsgedanken: dass Lesben und
Schwule das gleiche Recht auf Familienleben wie Heterosexuelle haben.
Wenn das bei der Stiefkindadoption jetzt wirklich so eng wie möglich
gefasst werden sollte, so gilt erneut: wenn schon Westeuropa, dann
nur wider Willen.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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