Weser-Kurier: Zur Europa-rede von Bundespräsident Joachim Gauck schreibt der Bremer WESER-KURIER:
Geschrieben am 22-02-2013 |
Bremen (ots) - Der Bundespräsident hat sich Zeit gelassen mit
seiner Antwort auf die von Roman Herzog 1997 mit seiner "Ruck-Rede"
begründeten Tradition der Berliner Reden - jetzt hat er eine zu ihm
passende Form gefunden. Fast ein Jahr ist Joachim Gauck im Amt, mit
seiner Rede zur Lage der Europäischen Union beginnt er nun eine
gesellschaftliche Debatte, die sich nicht nur aus seinen Reden
speisen soll, sondern aus einer Abfolge von Symposien, Foren und
Hintergrundgesprächen. "Bellevue Forum" hat der Bundespräsident diese
Idee genannt; und auch, wenn Gauck sie erst noch mit Leben füllen
muss, so lässt sich doch schon jetzt sagen, dass er einen
vielversprechenden Weg gewählt hat. Dabei bedient sich der frühere
Pastor seiner Grundtugenden, zu denen eben nicht nur die Gabe der
wortmächtigen Rede gehört, sondern ebenso die des Zuhörens und
Moderierens. Es ist Gaucks Stärke und zeugt von seinem
Selbstbewusstsein und Charisma, dass er sich auch als Bundespräsident
nicht verbiegen lässt und dem Amt Charakter gibt. Dazu gehört, dass
das einst so hermetisch wirkende Schloss Bellevue immer mehr zu einem
Ort der Begegnung wird. Gauck sperrt die Menschen nicht aus, er lädt
sie ein. Dass er über die Inhalte seiner Europa-Rede demnächst mit
Studentinnen und Studenten diskutieren will, zeigt, worum es ihm
geht. Das Gefühl vieler Bürger, dem Bürokratie-Monstrum EU machtlos
oder gleichgültig gegenüber zu stehen, nimmt der Bundespräsident
ernst und fordert sie auf, sich einzumischen, mitzugestalten.
Natürlich, der Bundespräsident kann mit seiner Rede die großen
Probleme der EU nicht lösen, aber er hat sie benannt, und er
versucht, Lösungswege zu thematisieren. Und genau das ist seine
Aufgabe, die praktische Politik muss hingegen Angela Merkel
gestalten. Dass sie sich gestern nicht zu Gaucks Worten äußerte, fiel
auf. Schließlich war er es, der die Europapolitik der Kanzlerin
kritisiert hat. Sie müsse sie mehr erklären, lautete sein Appell. Nun
hat er für Merkel diese Aufgabe übernommen. Ein Fingerzeig! Und genau
dafür gibt es das Amt des Bundespräsidenten. Gauck beweist einmal
mehr, dass er der Richtige für dieses Amt ist.
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Weser-Kurier
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