BERLINER MORGENPOST: Wozu die ganze Aufregung?
Jochim Stoltenberg glaubt, dass ein Loch in der East Side Gallery die Touristen nicht abschrecken wird
Geschrieben am 01-03-2013 |
Berlin (ots) - Die East Side Gallery ist 1,3 Kilometer lang. Einst
Teil der grauen Mauer mit abschreckender, ja, tödlicher Wirkung, hat
sie ihren Horror verloren, seit sie nicht länger Grenze und von
Künstlern bunt bemalt ist. Und in voller Länge sind deren
Gedenkmotive auch nicht mehr existent, seit am Ostbahnhof, an der O2
World und am Osthafen Lücken gerissen und Teile versetzt wurden. Das
hat Touristen nicht davon abgehalten, an die Mühlenstraße zu pilgern.
Ein weiteres Loch in der Gallery wird sie davon nicht abhalten. Weil
sie eine Attraktion ohnegleichen bleibt; quasi ein Pflichtprogramm
nach den Gedenk- und Mahnstätten an der Bernauer Straße und am
Checkpoint Charlie.
Warum also jetzt die Empörung, die übrigens so groß angesichts der
Zahl der Demonstranten vor Ort auch nicht zu sein scheint? Das hat
wohl vor allem damit zu tun, dass der Bauherr Luxuswohnungen
errichten will. Der hat seit 2005 ein Baurecht, nicht einmal die
ansonsten zur Pingeligkeit neigende Denkmalschutzbehörde hatte
Einwände, und sogar das alternativlastige Bezirksamt
Friedrichshain-Kreuzberg hat seinen Segen gegeben. Da liegt der
Verdacht nicht fern, dass der Protest wohl ausgeblieben wäre, hätte
der Unternehmer statt großzügige nur soziale Wohnungen bauen wollen.
Und dass nun plötzlich auch die Parteien ihr Herz für die "Rettung"
der East Side Gallery entdecken, bleibt angesichts des jahrelangen
Vorlaufs wenig glaubwürdig.
Die Stadt braucht Investoren. Wer sich hier engagieren will, muss
sich auf rechtliche Zusagen verlassen können. Und wer redet
eigentlich davon, dass mit der "Maueröffnung" ein weiterer
Brückenschlag zwischen Ost und West verbunden ist? Ohne die zu
brechende Lücke wären die Planungen für die Fußgänger- und
Fahrradbrücke über die Spree hinfällig. Sie wird die Menschen in
Friedrichshain und Kreuzberg einander näher bringen, damit die
latente innere Spaltung der Stadt weiter mildern. Selbst bunte Mauern
trennen. Brücken verbinden.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
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