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Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherung bedroht

Geschrieben am 20-03-2013

München/Zürich (ots) -

- Steigende Leistungsausgaben führen zu laufenden
Beitragsanpassungen

- Schlechte Risiken, Nichtzahler, Tarifwechsler und
Kapitalanlagekrise treiben die Beiträge

- Künftig ist striktes Ausgaben- und Bestandsmanagement gefragt

- Geschäftsmodell insgesamt durch Bürgerversicherung bedroht
- Szenarioplanung für politische Risiken ist ein Muss

Die öffentliche Wahrnehmung der privaten Krankenversicherung (PKV)
ist auf einem historischen Tiefpunkt. Einer der zentralen
Kritikpunkte sind die hohen Beitragssteigerungen: Sie nahmen in den
letzten Jahren deutlich stärker zu als das Bruttosozialprodukt und
verringerten so das verfügbare Haushaltseinkommen der
Privatversicherten. Zudem setzen gesetzliche Regelungen, wie die
neuen Unisextarife oder die notwendige Anpassung des kalkulatorischen
Rechnungszinses die neuen Tarife unter Druck. Entsprechend lahmt das
Neugeschäft. Aber das ist noch nicht alles: Das gesamte
Geschäftsmodell der deutschen PKV ist bedroht, denn die Einführung
einer Bürgerversicherung wird eines der zentralen Themen im
Bundestagswahlkampf 2013. Die Branche muss eine Antwort auf ihre
strukturellen Herausforderungen finden und gleichzeitig
Vorbereitungen für die - je nach politischer Konstellation - mögliche
Abschaffung ihres Hauptprodukts treffen.

Die private Krankenversicherung ist von den rapide steigenden
Kosten für medizinische Leistungen besonders betroffen: Zwischen den
Jahren 2008 und 2010 erhöhten sich die Ausgaben jedes Jahr um
durchschnittlich 5,2 Prozent. In früheren Jahren konnten die privaten
Versicherer solche Mehrausgaben mit Gewinnen aus Rücklagen abfedern.
Die anhaltende Niedrigzinsperiode lässt Gewinne jedoch bescheiden
ausfallen. Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren werden
derzeit mit lediglich 1,5 Prozent verzinst. Die Krankenversicherer
müssen die steigenden Leistungsausgaben deshalb direkt in Form von
höheren Beiträgen an ihre Versicherten weitergegeben. Das hat das
Image und die Attraktivität der privaten Krankenversicherung
empfindlich getroffen. In den kommenden Jahren rechnen die
Versicherer deshalb mit einem stagnierenden Neugeschäft.

"Es ist ein kritischer Punkt erreicht, an dem die privaten
Krankenversicherungen alle Hebel in Bewegung setzen müssen um das
Thema Beitragssteigerung zu adressieren", sagt Christian Kinder,
Partner mit Beratungsschwerpunkt Versicherungen bei Bain & Company in
München. "Dies umfasst Leistungsmanagement, Kündigermanagement,
Risikomanagement und Tarifwechslermanagement. Sonst wird die
Attraktivität der PKV weiter sinken."

Einkommensschwache Privatversicherte

In ihrem Versicherungsbestand leiden die privaten
Krankenversicherer zudem an einem Phänomen, das sie selbst verursacht
haben. Das Wachstum der letzten zwei Jahrzehnte lebte von
Billigtarifen und hohen Maklervergütungen. Die Folge: Entgegen dem
allgemeinen Image ist eine zunehmende Zahl an Privatversicherten
einkommensschwach. Immer mehr Versicherte können ihre gestiegenen
Beiträge nicht mehr bezahlen. Diese sogenannten Nichtzahler genießen
Kündigungsschutz; die von ihnen in Anspruch genommenen
Gesundheitsleistungen müssen durch den noch profitablen
Versicherungsbestand getragen werden. Die Einführung, eines noch
unterhalb des Basistarifs angesiedelten "Nichtzahler-Tarifs", wie
aktuell bereits seitens der Politik diskutiert, könnte hier Abhilfe
schaffen. Nicht zuletzt leidet die PKV unter zunehmender Regulierung:
Der gesetzlich geforderte Basistarif, die Begrenzung der
Vermittlerprovisionen, die neuen Unisextarife - all diese Regelungen
treiben die Kosten und erschweren das Neugeschäft.

Intelligente Gegenstrategien gefragt

Die Antworten der privaten Krankenversicherer auf diese
Herausforderungen müssen auf mehreren Ebenen erfolgen. Auf der
Einnahmenseite können eine klare Tarifstruktur und ein organisiertes
Wechselmanagement künftig dafür sorgen, dass jeder Versicherte die
Police erhält, die seinem Risikoprofil entspricht. "Dies erfordert
neben einer intelligenten Vertragsarchitektur auch eine umfassende
Beratung", sagt Berater Kinder. "Derzeit ist die Mehrzahl der
Tarifwechsler mit ihrem neuen Tarif unzufrieden, was vor allem auf
eine schlechte Beratung zurückzuführen ist."

Im Vertrieb müssen die etablierten Neugeschäftsstrategien durch
ein neues System ersetzt werden. Bessere Beratung sowie ein
attraktives und verständliches Tarifsystem sind die eine Seite. Die
andere Seite ist eine umfassendere Gesundheits-Vorsorge über
Zusatzversicherungen. "Die Zusatzversicherung könnte das
Push-Geschäft der Zukunft werden", so Versicherungsexperte Kinder.
"Hier sind innovative Produkte gefragt, die künftig auch nicht mehr
durch die Vollversicherung querfinanziert sein dürfen."

Kostenseitig gilt es, die bereits begonnenen Maßnahmen im
Leistungsmanagement weiter zu treiben. Neben klassischer
Kostensenkung zur Entlastung der Tarife umfasst dies auch alternative
Ansätze, wie Kooperationen. So sind nach einer Studie von Bain &
Company über 90 Prozent der Leistungserbringer im Gesundheitssektor
zu Kooperationen mit privaten Krankenversicherungen bereit. Über 80
Prozent würden auch einer Direktabrechnung mit der PKV zustimmen -
also ohne Zwischenschaltung des Kunden.

Damoklesschwert Bürgerversicherung

Über allem schwebt zudem die Drohung der Bürgerversicherung. Sie
soll zu einem zentralen Thema im Bundestagswahlkampf 2013 werden und
könnte bei entsprechendem Wahlausgang bereits im Jahr 2015 das Ende
der PKV als Vollversicherung einläuten. Daher sollten sich die
privaten Krankenversicherer auch auf einen eventuellen Systemwechsel
hin zur Bürgerversicherung vorbereiten. Hierfür ist eine
differenzierte Szenarioplanung nötig, die die denkbaren Varianten der
Bürgerversicherung und damit zusammenhängender
Zusatzversicherungs-Angebote abdeckt.

Für jede dieser Varianten sollten strategische und
organisatorische Reaktionsmöglichkeiten erarbeitet werden. "Wichtig
ist, die finanziellen Auswirkungen dieser Szenarien auf das eigene
Haus abzuleiten sowie Strategien für die taktische Aufstellung in
einem Bürgerversicherungsszenario auszuarbeiten", sagt Bain-Partner
Kinder. "Bereits heute wäre es beispielsweise denkbar,
Zusatzversicherungen stärker zu pushen - etwa über das
Firmenkundengeschäft. Die Profitabilität dieser Produkte müsste
künftig auch unter Berücksichtigung einer echten
Prozesskostenzuordnung sichergestellt werden. Auch das Thema
Automatisierung und Digitalisierung wird in der Zusatzversicherung
von Antrag bis Leistungsabrechung signifikant an Bedeutung gewinnen."

Bain & Company

Strategische Beratung, operative Umsetzung, messbare Ergebnisse:
Mit diesem unternehmerischen Ansatz ist Bain & Company eine der Top 3
weltweit führenden Managementberatungen. Gemeinsam mit seinen Kunden
arbeitet Bain darauf hin, klare Wettbewerbsvorteile zu erreichen und
damit den Unternehmenswert nachhaltig zu steigern. Im Zentrum der
ergebnisorientierten Beratung stehen das Kerngeschäft der Kunden und
Strategien, aus einem starken Kern heraus neue Wachstumsfelder zu
erschließen. Seit Gründung 1973 lässt sich Bain dabei an den
Ergebnissen seiner Beratungsarbeit finanziell messen. Bislang waren
Bain-Berater weltweit für über 4.900 große und mittelständische
Unternehmen tätig. Insgesamt unterhält die Beratung 48 Büros in 31
Ländern und beschäftigt 5.400 Mitarbeiter, 600 davon im
deutschsprachigen Raum. www.bain.de, www.bain-company.ch



Pressekontakt:

Julia Henry, Bain & Company Germany, Inc.,
Karlsplatz 1, 80335 München
E-Mail: julia.henry@bain.com,
Tel.: +49 (0)89 5123 1428,
Mobil: +49 (0)151 5801 1428


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