(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Nehmerländer sind längst gescheitert

Geschrieben am 24-03-2013

Regensburg (ots) - Von Christine Schröpf

Wer ständig den Mund spitzt, muss irgendwann pfeifen. Insofern ist
es nur konsequent, dass die schwarz-gelbe Staatsregierung nach langer
Zeit der Ankündigungen und Drohgebärden heute beim
Bundesverfassungsgericht Klage gegen den Länderfinanzausgleich
einreicht. Auch wenn sich die Finanzlast auf juristischem Weg nicht
über Nacht verringern wird und das Zeitfenster, in dem Bayern von
möglichen Korrekturen profitiert, recht klein ist: Das von
Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber verhandelte Vertragswerk läuft
bekanntlich 2019 ohnehin regulär aus und muss dann neu verhandelt
werden. Doch warum die geringste Chance verschenken? Schon eine
kleine Entlastung, wenn nur für ein oder zwei Jahre, könnte dem
Freistaat eine dreistellige Millionensumme in die Kasse spülen.
Selbst der Präsident des Bayerischen Obersten Rechnungshofs, der
Gefälligkeitsadressen an die Seehofer-Regierung gänzlich
unverdächtig, hatte vergangene Woche bei der Präsentation seines
Jahresberichts für 2013 zwar nicht die Klage, aber eine Reform des
Solidarpakts zwischen reichen und armen Bundesländern ausdrücklich
unterstützt. Eine friedliche Einigung wäre tatsächlich die schönste
Lösung gewesen. Sie scheiterte aber am Hinauszögern und Taktieren der
Nehmerländer. Die gänzliche Unlust, den höchst willkommenen
Finanzstrom aus Bayern freiwillig einzudämmen, mag aus deren Sicht
verständlich sein. Doch fair ist dieses Verhalten nicht. Arme
Bundesländer haben das Recht, vom starken Bayern Solidarität zu
erwarten. Wer viel hat, muss natürlich viel geben. Doch wenn mit
Bayern, Baden-Württemberg und Hessen nur mehr drei Länder einzahlen,
aber 13 Länder profitieren, ist die Schieflage nicht
wegzudiskutieren. Der Freistaat stemmt allein die Hälfte der Summe
und überweist ständig neue Rekordbeträge. 2012 wurden 3,9 Milliarden
Euro überwiesen. 2013 waren es schon vier Milliarden Euro, 2014 sind
es dann 4,2 Milliarden Euro. Für die Seehofer-Regierung ist die Klage
nicht allein eine Frage des Prinzips: Der ehrgeizige Plan, Bayern bis
2030 schuldenfrei zu machen, steht und fällt mit geringeren Zahlungen
in den Länderfinanzausgleich. Der Ministerpräsident hofft, dass der
Freistaat über kurz oder lang eine Milliarde pro Jahr weniger
abdrücken muss. Das ist umso wichtiger, da die Dauerbelastungen in
Bayerns Etat steigen - zuletzt durch ein millionenschweres
Bildungspaket - und sprudelnde Steuermehreinnahmen nicht für alle
Zukunft fest einzuplanen sind. Die Klage in Karlsruhe treibt einen
tieferen Keil zwischen arme und reiche Bundesländer. In der
bayerischen Koalition aber entfaltet sie zumindest für den Moment
eine gewisse Bindekraft. Einträchtig wollen Regierungschef Horst
Seehofer, Finanzminister Markus Söder und Wirtschaftsminister Martin
Zeil heute vor laufenden Kameras Vollzug verkünden. So viel
Gleichklang ist sehr selten geworden. CSU und FDP haben sich in fast
fünf Jahren Zusammenarbeit stark entfremdet: Die Konservativen sind
es leid, sich von den Liberalen dreinreden zu lassen. Die FDP fühlt
sich von der CSU an die Wand gedrückt. Offen sagt es keiner. Doch die
Fassade der guten Zusammenarbeit hat tiefe Risse. In Sachen
Länderfinanzausgleich aber wird einmal nicht aufeinander geschossen -
Attacken richten sich gegen die Opposition. Die Klage wird zum
Testfall für bayerischen Patriotismus erklärt. Das ist natürlich
Quatsch. Wer das Verfahren kritisch sieht, ist kein schlechter Bayer.
Der Hauptvorwurf der Opposition zieht allerdings ebenso wenig. Sie
spricht von purem Wahlkampfgetöse. Doch auch wenn sich der
Rechtsstreit um bayerisches Geld im Wahljahr gut verkaufen lässt: Die
Klage ist richtig. Das bleibt so, auch nach dem Wahltag im Herbst.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

454511

weitere Artikel:
  • Lausitzer Rundschau: Bundesfinanzminister und Liberale streiten über Steuersenkungen Das Wunschkonzert Cottbus (ots) - Wolfgang Schäuble ist mal wieder Angela Merkels wichtigster Mann. Nicht nur in der Zypern- und Eurokrise, sondern der Finanzminister muss auch die Steuersenkungsfantasien des Koalitionspartners FDP einfangen. Wobei den Liberalen etwas Besseres nicht passieren kann: Jedes Nein von Schäuble dient ihnen zur eigenen Profilierung und zur Abgrenzung von der Union. Und das hat die Partei nach wie vor dringend nötig. Auch wenn es in den Umfragen leicht nach oben geht. Die Steuersenkungsplatte hat die FDP mit dem Soli ohnehin mehr...

  • WAZ: Gefährlicher Nervenkitzel - Kommentar von Dietmar Seher Essen (ots) - Die Gesellschaft von heute mag das Außergewöhnliche, den Event, den Nervenkitzel. Koste es, was es wolle. Eine Kobra oder ein Krokodil im Haus zu haben, ist solch eine Veranstaltung. Der Waran in der Badewanne ist hip. Die Halter fragen oft weder nach der Sicherheit der Nachbarn noch nach dem, was den tierischen Exoten, die ihrer natürlichen Umgebung entrissen wurden, guttut. Staatliche Eingriffe in private Hobbys sind politisch wie rechtlich schwierig: Schnell ist dabei die Grenze zur Gängelei überschritten. Aber mehr...

  • WAZ: Grüne verkennen raue Wirklichkeit - Kommentar von Wilhelm Klümper Essen (ots) - Geht es nach den NRW-Grünen, dann werden wir das mit der Integration der Sinti und Roma bei gutem Willen schon schaukeln. Statt Ablehnung könnte eine Willkommenskultur der Bürger - flankiert von einer ganzen Armada von Sozialarbeitern - das Problem schon in den Griff bekommen. Die Grünen entfernen sich mit ihrem Gutmenschentum mehr und mehr von der rauen Wirklichkeit. Die bitterarmen Sinti und Roma kommen wegen der Sozialleistungen ins Land. Arme Städte wie Dortmund und Duisburg müssen mithin die sozialen Verwerfungen mehr...

  • WAZ: Bittere Lehre aus der Zypern-Krise - Kommentar von Knut Pries Essen (ots) - Es ist eine bittere Lektion, die Zypern hat lernen müssen: Beim Kräftemessen mit Schäuble und Co saß man von vornherein am kürzeren Hebel. Es ist tragisch, wie sich die Regierung des neuen Präsidenten Anastasiades darüber täuschen konnte. Angesichts der Entrüstung ihrer Bürger über den geplanten Zugriff auf die Konten kleinerer Sparer fühlte sie sich in der Lage, den Euro-Großkopferten die Stirn zu bieten und den gesamten Deal zu stornieren, dem sie in Brüssel selbst zugestimmt hatte. Es war ein aussichtsloses Unterfangen: mehr...

  • neues deutschland: Koordinator gesucht - Kommentar zum Schwarz-Gelben Engagement gegen rechts Berlin (ots) - Nein, die Bundesregierung macht derzeit keine gute Figur im Kampf gegen rechts. Weder beim NPD-Verbotsverfahren, das von ihr nicht unterstützt wird. Auch nicht beim Zurückdrängen rechter Gewalt auf den Straßen, wie die neuesten Zahlen aus dem Bundesinnenministerium zeigen. Und auch bei der Aufarbeitung der NSU-Mordserie hat sich Schwarz-Gelb bislang nicht mit Ruhm bekleckert. Doch woran liegt es? Hat die alte linke Gewissheit, wonach der Staat auf dem rechten Auge blind ist, wirklich noch Bestand in einer globalisierten mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht