Mittelbayerische Zeitung: Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zu "Freie Wähler"
Geschrieben am 05-04-2013 |
Regensburg (ots) - Kurze Dürreperiode für die Freien Wähler
von Christine Schröpf, MZ
Fünf Monate vor dem Wahltermin kann das Projekt Bundestagswahl der
Freien Wähler als gescheitert betrachtet werden. Es müsste schon ein
Wunder geschehen, wenn die Partei im Herbst doch noch in den
Reichstag einzieht. In Umfragen liegen die Freien Wähler jenseits der
Wahrnehmungsschwelle. In der Kriegskasse fehlt Geld für einen
kräftigen Umkehrschub. Da ist es nur noch das Tüpfelchen auf dem I,
dass Spitzenkandidat Stephan Werhahn kürzlich zurück zur CDU
geflüchtet ist. Ein echter Wählermagnet war der steife Euroskeptiker
allerdings ohnehin nie. Seinen Verlust können die Freien Wähler in
dieser Dürreperiode am leichtesten verschmerzen. Freie-Wähler-Chef
Hubert Aiwanger muss ein ernüchterndes Zwischenfazit ziehen. Der
Siegeszug seiner bunt gemischten und eigenwilligen Gruppierung, die
2008 in Bayern zum ersten und bisher einzigen Mal in einen Landtag
einzog, ist an der Berliner Front fürs Erste gestoppt. Doch das ist
gut so. Es fehlt an einer soliden Basis in allen Bundesländern. Ohne
sie aber ist in der Hauptstadt mit den Freien Wählern kein Staat zu
machen. Hasenfüßigkeit ist Aiwanger jedenfalls nicht vorzuwerfen -
eher ein wenig zu viel Selbstbewusstsein. Dafür bezahlt er jetzt
Lehrgeld. Einige parteiinterne Kritiker arbeiten sich an dem einzig
wirklich populären Frontmann ab. Das ist Teil des politischen
Geschäfts. Der 42-Jährige weiß das und ist in diesem Punkt ziemlich
illusionslos. Beachtlich, wie wenig Nerven er zumindest äußerlich im
Krisenmodus zeigt. Zu seiner Gelassenheit trägt sicher bei, dass er
als Chef in Bund und Land alternativlos ist. Wer außer ihm sollte den
Karren ziehen? Alles steht und fällt mit Bayern. Ohne Aiwanger läge
die Partei im Freistaat nicht stabil bei acht bis neun Prozent. Ohne
ihn hätte sich die Fraktion in den vergangenen fünf Jahren nicht
vergleichsweise unfallfrei im Landtag etabliert. Zur zusätzlichen
Disziplinierung in den bayerischen Reihen trägt auch bei, dass sich
alle 21 Abgeordneten um eine Wiederwahl bemühen. Jetzt einen Streit
anzuzetteln, wäre dumm. So es denn überhaupt Unzufriedene gibt,
werden sie bis zum Wahltag schweigen, um die eigenen
Erfolgsaussichten nicht zu schmälern. Neben der CSU sind die Freien
Wähler die Einzigen, die Bayern als Kernland und Machtbasis
betrachten. Die Parallele ist wenig überraschend, speist sich das
Freie-Wähler-Klientel doch zum Großteil aus einst enttäuschten
CSU-Anhängern. Wie viele davon auch bei der Landtagswahl 2013 ihr
Kreuz bei den Freien Wählern machen und wie viele stattdessen lieber
zum Original zurückkehren, wird sich zeigen. Die Freien Wähler haben
in den vergangenen fünf Jahren fleißig gearbeitet. Einzig großer
Erfolg, der sich im Gedächtnis der Bürgern verankert hat, ist aber
das von Generalsekretär Michael Piazolo initiierte Volksbegehren
gegen Studiengebühren. Dieser Erfolg könnte sich jedoch in vielen
Wählerstimmen auszahlen. Auch wenn die Bundestagsträume zerplatzt
sind: In Bayern könnte die Aiwanger-Truppe die nächste Stufe der
politischen Entwicklung erklimmen und als Koalitionspartner von CSU
oder SPD und Grünen am Kabinettstisch Platz nehmen. Aiwanger legt
sich beim Wunschpartner nicht fest - und zeigt damit, dass er das
Geschäft beherrscht. Sein Ja-Wort gibt es am Ende für die Partei, die
den meisten politischen Wünschen zustimmt. Koalitionen sind
schließlich Zweckgemeinschaften und keine Liebesehen. Die anderen
halten das exakt genauso.
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