"DER STANDARD"-Kommentar: "Rettet den Renner-Ring!"
von Gerald John
Geschrieben am 14-04-2013 |
Trotz antisemitischer Zitate: Ein Straßenschildersturm dient
nicht der Aufarbeitung - Ausgabe vom 15.4.2013
Wien (ots) - Wie du mir, so ich dir: Eben hat die rot-grüne
Stadtregierung den an der Universität vorbeiführenden Teil der
Ringstraße vom Namen des christlichsozialen Bürgermeisters Karl
Lueger befreit, da soll sie gleich vor dem Parlament weitermachen.
Dort verläuft der Dr.-Karl-Renner-Ring, dem nun die ÖVP einen neuen
Namen verpassen will. Schließlich habe der einstige
sozialdemokratische Staatskanzler und Präsident in der
Zwischenkriegszeit ebenso antisemitische Tiraden vom Stapel gelassen,
wie vor ihm der nun geächtete Lueger.
Auf die Idee gebracht hat die ÖVP eine Debatte, die nicht zuletzt im
Standard aufgebrochen ist. Der Historiker Franz Schausberger, einst
schwarzer Landeshauptmann Salzburgs, ist in Renner'schen Reden auf
schauerliche Zitate gestoßen. Nichts Harmloseres als die Lösung der
"Judenfrage" soll die rote Ikone propagiert haben. Ob
Schleichhändler, Banker oder Großkapitalist - jedem Übeltäter fügte
Renner in seiner Rhetorik offenbar das Attribut "jüdisch" hinzu.
Die Replik ließ nicht lange warten. Schamlos aus dem Zusammenhang
gerissen seien die inkriminierten Worte, so der Konter aus dem
sozialdemokratischen Dunstkreis. Vielmehr habe Renner in den
zitierten Reden den Christlichsozialen einen Spiegel vor Augen halten
wollen, indem er ihre antisemitische Wahlkampfpropaganda auf
sarkastische Weise vorführte.
Ein Versuch von schwarzer Seite also, einen roten Säulenheiligen mit
in den Dreck zu ziehen? Es wäre falsch, die Vorwürfe gegen Renner,
der bekanntlich den "Anschluss" an Nazi-Deutschland begrüßt hatte,
vorschnell als Rufmord abzutun. Natürlich geht es der ÖVP, in deren
Vorgeschichte antisemitische Schandflecke unübersehbar sind, auch um
eine Retourkutsche. Dennoch verlangt sie zu Recht, dass für Renner
die gleichen Maßstäbe gelten sollen wie für Lueger. Wenn es die
Wiener Regierung für geboten hält, den städtischen Schilderwald nach
moralisch belasteten Persönlichkeiten zu durchkämmen, dann darf sie
sich über die eigenen Helden nicht hinwegschwindeln.
Schon der eigenen Glaubwürdigkeit wegen sollte sich jene
Historikerkommission, die seit eineinhalb Jahren 4200
personenbezogene Straßennamen in Wien unter die Lupe nimmt, dem
Dr.-Karl-Renner-Ring deshalb besonders intensiv widmen. Dabei gilt es
auch, die Dimensionen zu bewerten. Antisemitismus ist in jeder
Spielart verwerflich; aber es macht einen Unterschied, ob Politiker
wie Lueger dieses Gift als tragendes Instrument ihrer Politik
einsetzten oder "nur" oberflächlich als rhetorische Waffe.
Ambivalente Figuren wie Lueger und Renner sind ideale Studienobjekte,
um die nicht minder zwiespältige nationale Geschichte aufzurollen.
Doch der Aufarbeitung ist nicht gedient, indem ihre Namen einfach
ausradiert werden. Die Demontage von Straßenschildern schafft kein
Gedächtnis, sondern Gedächtnislücken. Gefragt sind originellere
Methoden, als dunkle Flecken ersatzlos wegzuwaschen: So gab es die
Idee, das auf der Gegenseite der Ringstraße nach wie vor unbehelligt
stehende Lueger-Denkmal in Schieflage zu hieven. Aber das war der
Politik offenbar zu schräg.
Müsste es nach dieser Logik nicht auch noch einen Adolf-Hitler-Platz
geben? Der Vergleich hinkt. Der im Holocaust gipfelnde Massenmord war
die Essenz von Hitlers Politik. Ähnliches lässt sich, bei allen
Schattenseiten, von den roten und schwarzen Urvätern nicht behaupten.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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