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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEBN-BLATT (Bielefeld) zum Kartoffel-Kartell

Geschrieben am 13-05-2013

Bielefeld (ots) - Die dümmsten Bauern ernten die dicksten
Kartoffeln, heißt es in einem Sprichwort. Will sagen: Kartoffelanbau
ist Glückssache. Natürlich ist das eine Mär. Und doch gibt es einen
Dummen, der sich bisher allerdings nicht in dieser Rolle gesehen hat:
Es ist der Verbraucher. Er hat - sofern sich der Anfangsverdacht
erhärtet - über Jahre die Zeche dafür gezahlt, dass Zwischenhändler
die Preise für Kartoffeln, die sie an den Handel liefern,
abgesprochen haben. Wieder einmal ein Lebensmittelskandal. Einer, der
zwar nicht unserer Gesundheit schadet, dafür aber unseren Geldbeutel
schädigt. Dabei ist es unerheblich, ob der Gesamtschaden nun 100
Millionen Euro oder eine Milliarde Euro beträgt. Ein Kartell
widerspricht den Grundsätzen einer freien Marktwirtschaft. In ihm
verschaffen sich einige wenige Geschäftsführer oder Firmenchefs auf
Kosten der Allgemeinheit einen ungerechtfertigten finanziellen
Vorteil. Beispiele für derart kriminelle Energie gibt es mehr als uns
lieb sein dürfte. Allein in der Lebensmittelbranche zuletzt unter
anderem bei Kaffee sowie Schokolade. Namhafte Hersteller wie Kraft
Foods, Tchibo, Dallmayr, Haribo und Nestlé waren betroffen. Sie
mussten Millionenstrafen zahlen. Aber auch bei Bier, Waschmitteln,
Aufzügen und Bahnschienen gab es unerlaubte Preisabsprachen. Beim
Kartoffel-Kartell stecken die Ermittlungen in den Anfängen. Daher
gilt für die Verantwortlichen der bisher neun durchsuchten Firmen die
Unschuldsvermutung. Wenn sich allerdings der Verdacht gegen sie
erhärtet, sind auch hier saftige Bußgelder unabdingbar. Der aktuelle
Fall scheint eine Besonderheit zu sein: Waren es bisher zumeist
Großkonzerne, die die Preise untereinander zum Schaden der
Verbraucher vereinbart haben, so versuchten sich beim
Kartoffel-Kartell eine Reihe von größeren und auch kleineren
Zwischenhändlern gegenüber dem mächtigen Handel - der am Ende die
Preise diktiert - einen Vorteil zu verschaffen. Die Frage ist: Kommen
jene Zwischenhändler durch die Allmacht einer Handvoll
Handelskonzerne so sehr in Bedrängnis, dass sie tricksen müssen?
Wehren sie sich etwa, um nicht gegeneinander ausgespielt zu werden?
Man denke nur an die Milchbauern, die aus Verzweiflung über niedrige
Preise Tausende Liter Milch vor Supermärkten auskippten. Ihr Unmut
war gerechtfertigt. Wenn die Milch für einen niedrigeren Preis im
Laden steht als sie von den Landwirten produziert werden kann, passt
etwas nicht. Im aktuellen Fall aber fehlt der Aufschrei der Bauern.
Bisher jedenfalls. Natürlich sind Kartelle nicht zu rechtfertigen,
aber mehr denn je sollten die Wettbewerbshüter auch die Ursachen
möglicher unerwünschter Entwicklungen im Blick haben. Unternehmen,
die zu mächtig werden, stören ebenfalls das Marktgleichgewicht.
Steigende Lebensmittelpreise sind für viele Menschen ein Ärgernis.
Auch wenn es - wie bei den so beliebten Kartoffeln - nur wenige Cent
sind. Der Verbraucher bleibt eben der Dumme.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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