Mittelbayerische Zeitung: Nur die Furcht allein
Geschrieben am 23-05-2013 |
Regensburg (ots) - Von Christian Kucznierz
Die Saat des Hasses ist bereits aufgegangen: Es dauerte nur wenige
Stunden nach der bestialischen Hinrichtung eines britischen Soldaten
auf offener Straße, bis die rechtsextreme "English Defense League"
(EDL) sich zu Wort meldete. Sie hat das Wort "Krieg", das die Täter
verwendet haben sollen, gierig aufgenommen und spricht nun von einem
Krieg gegen Muslime, der zu führen sei. Noch etwas haben die beiden
Täter erreicht: Furcht zu streuen. Das Militär hatte zunächst den
Soldaten empfehlen wollen, nicht mehr in Uniform auf die Straße zu
gehen. Es hat diesen Plan verworfen. Das ist gut so. Gewalt wird nur
dann zu Terror, wenn die Furcht um sich greift. Wenn das geschieht,
haben die Attentäter ihr Ziel erreicht. Zwischen dem grausamen
Anschlag in Boston Mitte April und der Bluttat in London gibt es auf
den ersten Blick vielleicht nicht viele Verbindungen. Die Dimension
der Anschläge ist nicht vergleichbar. Wer sich die Bilder aus Boston
vor Augen ruft, der will nicht daran zweifeln, dass dies ein
Terroranschlag war. Wer die Bilder aus Woolwich sieht, zweifelt daran
zunächst sehr wohl. Die Anschläge auf Busse und U-Bahnen in London
2005 erfüllen das, was wir als Terroranschläge bezeichnen. Der Tod
eines Einzelnen eher nicht. Und dennoch: Das Opfer von Woolwich war
Angehöriger der Armee eines Landes, das international gegen
Islamisten kämpft. Sein Tod ist kein Zufall gewesen, sondern ein
Symbol. Es geht Terroristen nicht um Opferzahlen allein, nicht um
maximale Zerstörung oder Verwüstung. Sondern um maximale
Verunsicherung, um Angst und Schrecken, darum, Hass zu verbreiten und
den Frieden, die Harmonie, zu unterminieren und letztlich zu
zerstören. In einem entscheidenden Punkt sind sich die Anschläge von
Boston und London dennoch gleich: Es waren radikalisierte
Einzeltäter, offenbar ohne direkte Verbindung zu Terrornetzwerken.
Das aber bedeutet nicht, dass sie weniger gefährlich wären; ganz im
Gegenteil. Die Zeiten des vernetzten internationalen Terrors sind
vorbei, zumindest fürs Erste. Aber es braucht auch gar keine
organisierte Al-Kaida mehr; sie würde auch viel zu leicht in den
Fangarmen der internationalen Terrorbekämpfer hängen bleiben. Der
islamistische Terror - und nicht nur der - ist heute ein
Franchise-Unternehmen, an dem sich jeder beteiligen kann. Die Täter
kommen nicht mehr unbedingt aus dem Ausland. Sie sind unauffällige,
meist junge Männer, die sich selbst radikalisieren. Sie müssen keine
Koranschule in Pakistan besuchen, um sich das ideologische Rüstzeug
zu besorgen. Ein Laptop reicht aus. Wer heute eine Bombe bauen will,
findet im Supermarkt die Hardware und im Internet die Idee. Der
Terror ist individualisierter geworden, beweglicher, er hat sich der
modernen Gesellschaft angepasst, schwimmt im Strom mit, was sein
spontanes Auftauchen umso erschreckender macht. Eine einzelne,
schreckliche Bluttat schafft es binnen weniger Stunden auf die
Titelseiten, weil sie innerhalb von wenigen Augenblicken in den
sozialen Netzwerken unterwegs war, als Text, Foto, Video; und die
Täter spielen mit, indem sie ihre Tat kommentieren, wohl wissend,
dass die Nachricht sich rasend schnell verbreiten wird. Der Krieg
gegen den Terror kann nicht in Afghanistan, nicht im Irak gewonnen
werden, nirgendwo auf der Welt - sondern nur in den Köpfen.
Sicherheit gibt es nicht. Sie ist eine Illusion, die uns durch
Terrorakte immer wieder grausam vor Augen geführt wird. Wir müssen
mit der Angst leben lernen. "Zu fürchten gibt es nur die Furcht
allein", sagte Franklin D. Roosevelt 1933. Sein Satz gilt bis heute.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
465520
weitere Artikel:
- Oberhessische Presse: Künast fordert Neuausrichtung des Verfassungsschutzes Marburg (ots) - Als "dürftig" hat die Grünen-Fraktionschefin
Renate Künast die Konsequenzen aus den NSU-Morden kritisiert. Im
Interview mit der in Marburg erscheinenden Oberhessischen Presse
(Freitagausgabe) fordert Künast eine komplette Neuausrichtung des
Verfassungsschutzes in Form einer "Inlandsaufklärung" mit "gesetzlich
klar eingeschränkten Befugnissen und starker externer Kontrolle". Bei
der derzeitigen Innenminister-Konferenz in Hannover gehe es lediglich
um "Standards für den V-Leute-Einsatz und eine zentrale Datei zum
Erfassen mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Bluttat von London Bielefeld (ots) - Die widerliche Bluttat von London ist
zuallererst ein erschreckender Terrorakt, der sich als
menschenverachtend selbst entlarvt. Keine noch so krude politische
oder religiös verbrämte Ideologie kann rechtfertigen, was dem
britischen Soldaten in London auf offener Straße widerfahren ist.
Deshalb ist es bemerkenswert, wie eindeutig sich die muslimischen
Verbände der Stadt wie auch Premier David Cameron vor den Islam als
eine Weltreligion von Millionen Friedfertigen stellen. Zugleich zeigt
das Geschehen aber auch zwei mehr...
- Rheinische Post: Mutig gegen den Terror Düsseldorf (ots) - Vor acht Jahren ermordeten islamistische
Terroristen mit Bombenanschlägen in Londoner Bussen und der U-Bahn 52
Menschen. Nun haben zwei Männer aus denselben wirren Motiven auf
offener Straße einen Soldaten bestialisch abgeschlachtet. Sie
benutzten dafür nur Messer und hatten die Tat möglicherweise aus
eigenem Antrieb geplant und durchgeführt, ohne Hintermänner und
Befehle irgendeines Terror-Fürsten im Mittleren Osten. Aber das macht
die Sache nicht besser. Denn gerade derartige Anschläge sind durch
Geheimdienste mehr...
- Rheinische Post: Schon wieder der BLB Düsseldorf (ots) - Der Untersuchungsausschuss des Landtags, der
die Projekte des Bau- und Liegenschaftsbetriebs (BLB) unter die Lupe
nimmt, hat seine Arbeit gerade erst begonnen und die umstrittenen
Objekte in Augenschein genommen. Das sündhaft teure Landesarchiv in
Duisburg hat dabei für die meisten Schlagzeilen gesorgt. Doch schon
zieht der BLB-Skandal (um einen solchen handelt es sich fraglos)
weitere Kreise. Jetzt laufen auch staatsanwaltschaftliche
Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Neubau der Fachhochschule sowie
dem neuen mehr...
- Rheinische Post: Sprachtests für Ärzte nützen den Patienten Düsseldorf (ots) - Die Verständigung zwischen Arzt und Patient ist
manchmal nicht einfach. Viele Patienten verstehen ihren Arzt nicht.
Und das nicht (nur), weil er aus dem Ausland ist, sondern weil sich
viele Mediziner gar nicht erst bemühen, sich verständlich zu machen.
Sie benutzen Fachchinesisch statt allgemein verstehbarer Sprache.
Wenn dann ein Arzt gar nicht oder kaum Deutsch kann, könnte es sogar
gefährlich werden. Daher ist es richtig, einheitliche Sprachtests für
ausländische Mediziner, wie es sie seit ein paar Monaten in mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|