Mittelbayerische Zeitung: Prima Klima?
Geschrieben am 24-05-2013 |
Regensburg (ots) - Von Christine Hochreiter
Trotz der Schafskälte in vielen Teilen Deutschlands sind
Verbraucher und Unternehmer derzeit so gut gelaunt wie schon lange
nicht mehr. Dies betrifft freilich nicht das Wetter, sondern vielmehr
die ökonomische Lage. Rezession, Schuldenkrise und der Zwang zum
Sparen finden anderswo in Europa statt - gefühlt ganz weit weg. Wer
es sich leisten kann, öffnet das Portemonnaie und kauft ein, anstatt
Geld auf die hohe Kante zu legen. Auch die Stimmung der Unternehmer
hat sich zuletzt überraschend aufgehellt. Die Gründe dafür sind
vielfältig: die robuste Situation am Arbeitsmarkt, die jüngsten
Tarifabschlüsse wie beispielsweise in der Metall- und
Elektroindustrie, die ein sattes Lohnplus vorsehen, historisch
niedrige Zinsen - aber auch die Prognose, dass es im nächsten Jahr
mit der Konjunktur wieder so richtig aufwärtsgeht. Herrliches
Konjunkturklima also in Deutschland? Jein. Der blaue Himmel sollte
nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Musterschüler Europas
nicht automatisch vom Rest der Welt abkoppeln kann. Wir leben in
keinem Kokon und bis in alle Ewigkeit wird sich die Bundesrepublik
der Krise nicht entziehen können. Die Frage lautet daher eher: Wie
lange bleibt es bei uns noch so schön? Die harten Fakten: Der
wichtige Handelspartner Frankreich ist in die Rezession abgerutscht.
Und Länder wie Griechenland oder Spanien befinden sich in einer
Dauer-Problemzone. Zu Euphorie besteht also mit Blick auf das Umfeld
keinerlei Anlass. Zumal derzeit vor allem der Export schwächelt. Die
Schuldenkrise im Euroraum findet zunehmend auch in den
Auftragsbüchern der Unternehmen statt. Im Maschinenbau etwa ging das
Europageschäft im ersten Quartal allein um neun Prozent zurück. Die
Eurokrise schwebt als schwarze Gewitterwolke am Horizont und solange
sie nicht gelöst ist, kann es kaum einen Konjunkturboom geben. Die
Europäische Zentralbank hatte sich Mitte des vergangenen Jahres
verpflichtet, im Notfall Anleihen strauchelnder Länder zu kaufen und
dadurch für eine Beruhigung der Märkte gesorgt. Ob es am Ende
tatsächlich richtig war, die Währungsunion mit der Notenpresse zu
stabilisieren, darf bezweifelt werden. Die EZB kann die
Staatsschuldenkrise dadurch vermutlich nicht lösen, sondern lediglich
übertünchen. Sie kann so viel Geld drucken, wie sie möchte, und dafür
Anleihen der Krisenstaaten kaufen. Auf Dauer wird dadurch die
Inflationsgefahr immens erhöht. Ein binnendeutsches Problem, das sich
künftig deutlich verschärfen dürfte, schafft es gottlob immer
häufiger in die Schlagzeilen: der (drohende) Fachkräftemangel. Die
Bundesregierung geht davon aus, dass zwischen 2010 und 2025 das
"Erwerbspersonenpotenzial" demografiebedingt um sechs Millionen sinkt
- wenn nicht gegengesteuert wird. Eric Schweitzer, der Präsident des
Deutschen Industrie- und Handelskammertags, warnte bereits vor einem
dramatischen Wohlstandsverlust. Dann wäre die Krise schnell auch bei
uns ganz nah. Politik und Wirtschaft müssen dieses Thema also
dringend aufgreifen. Handlungsbedarf besteht vor allem auch bei der
Zuwanderung von Fachkräften. Die Bertelsmann-Stiftung forderte soeben
eine "Schwarz-Rot-Gold-Karte", die Deutschland für ausländische
Spezialisten attraktiver machen soll. Hochqualifizierte und
Fachkräfte in Mangelberufen könnten eine unbeschränkte Aufenthalts-
und Arbeitsgenehmigung bekommen und eine zügige Einbürgerung als
Perspektive. Das Hoch über dem deutschen Wirtschaftshimmel ist also
keine Frage des Schicksals, sondern kann beeinflusst werden: durch
den Blick auf den Horizont und beherztes Handeln.
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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
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