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DER STANDARD-Kommentar: "Politik statt Tourismus gefordert" von Petra Stuiber

Geschrieben am 03-06-2013

"Kanzler und Co reisen zu Hochwasseropfern. Sie sollten besser
ihre Politik überprüfen."; Ausgabe vom 04.06.2013

Wien (ots) - Wie sich die Bilder gleichen. Melk 2002: Land unter.
Melk, 2013: Land unter. Der Unterschied zwischen damals und heute ist
mit dem Zentimetermaß zu messen. Wieder stehen die uralten Häuser in
der Altstadt unter Wasser, Stege und Wege führen ins Nirgendwo, die
Menschen mussten ihre Häuser verlassen und werden wochenlang damit
beschäftigt sein, Keller leerzupumpen und den Schlamm aus ihren
Wohnzimmern zu schaufeln. Nur die Stiftsherren, hoch oben auf dem
Felsen über der Donau, blieben unberührt: In der katholischen Kirche
denkt und baut man in Jahrtausenden, dagegen kommen nicht einmal ein
oder zwei Jahrhunderthochwasser an. Hinter den Menschen unten am
Donauufer liegen dagegen elf Jahre, in denen zwar zahlreiche
Politiker Versprechungen machten, dutzende Experten tagten und auch
hunderte Millionen Euro für den Hochwasserschutz lockergemacht
wurden. Das Problem dabei ist freilich: Das Geld wurde oft nicht
rechtzeitig abgeholt und offenbar auch nicht richtig investiert. Nach
dem Katastrophensommer 2002 brauchte es fast fünf Jahre, bis sich
Bund und Länder auf einen 15a-Vertrag zum verbesserten
Hochwasserschutz einigten. Im Vorjahr wurden dann die Bundesgelder
für den Hochwasserschutz insgesamt wieder zurückgefahren - offenbar
weil eh schon lange nichts Arges mehr passiert war. Am Beispiel Melk
zeigt sich nun, wie fatal es sein kann, wenn die Schrecken des
jüngsten Hochwassers Jahre zurückliegen. Denn die Verantwortlichen
reihten den Bau der Schutzmaßnahmen für die kleine Stadt an der Donau
weit nach hinten, ins Jahr 2015. Das "Tor zur Wachau" stand also
jahrelang sperrangelweit offen, bis man sich im Februar, wenige
Wochen vor der niederösterreichischen Landtagswahl (bestimmt Zufall!)
doch dazu entschloss, den Melker Hochwasserschutz zu verbessern. Wie
sich jetzt zeigt, war es da leider schon zu spät. In Oberösterreich
zeigt sich hingegen, wie man viele Millionen Euro in Schutzprojekte
buttern kann, die dann am Ende doch nicht halten, was ihre Betreiber
versprochen haben. Der Machlanddamm steht zwar, vorerst hält er auch
- aber angesichts des geringen Spielraums, den er noch hat, fragen
sich viele: Hätte man das Ding nicht gleich großzügiger planen und
bauen sollen? Dass Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer
trotzig meint, es seien eben die Hochwasserberechnungen der Experten
falsch gewesen, wird die Betroffenen kaum trösten. Wenig trostreich
für sie ist wohl auch das Verhalten der Bundesregierung: Kanzler und
Vizekanzler zogen es vor, getrennt in die Überschwemmungsgebiete zu
reisen. Die Hitliste der versprochenen Geldgeschenke wird zwar von
Stunde zu Stunde länger, aber offenbar kommt niemand auf die Idee,
die bisherige Hochwasser- und Umweltpolitik zu überdenken und in
einer gemeinsamen Anstrengung eine neue Strategie gegen immer
häufiger auftretende Überflutungen zu suchen. Trotz all der Hektik,
die so ein wahlkampfgetriebener Katastrophentourismus mit sich
bringt, sollten sich die Damen und Herren fragen, was wohl wichtiger
ist: dass Hochwasseropferhände geschüttelt werden oder schnell und
(diesmal) wirksam Schutz vor neuen Katastrophen geboten wird. Wenn
sie die Antwort dazu selbst nicht wissen - der Bürgermeister von Melk
kann sie ihnen bestimmt geben.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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