Mittelbayerische Zeitung: Politsumpf an der Moldau
Der Fall Necas zeigt beispielhaft, wie es um die Moral der Führungseliten in Tschechien bestellt ist. Von Harald Raab
Geschrieben am 18-06-2013 |
Regensburg (ots) - Das Elend der postkommunistischen Staaten:
Technokraten haben das Feld der Politik okkupiert. Es geht um Macht
und persönliche Bereicherung, Vetternwirtschaft, Verfilzung mit den
Wirtschaftseliten und Korruptionherrschen. Tschechien ist ein
Musterbeispiel dafür, obwohl dieses Land aus seiner ersten Republik
unter Tomas Garrique Masaryk eine gute demokratische Tradition hat.
Daran wollte die Samtene Revolution, wollte Vaclav Havel anknüpfen.
Der Dichterpräsident blieb Ausnahme. All die Idealisten an seiner
Seite, die wesentlich dazu beigetragen haben, das kommunistische
System zu überwinden, wurden von den Karrieristen kaltgestellt.
Vaclav Klaus war es vor allen anderen, der als Chef der ODS und als
Ministerpräsident die Geister rief, die er als Staatspräsident nicht
mehr loswerden konnte. Politiker wurde zum Schimpfwort. Petr Necas,
der politische Ziehsohn des Hardliners Klaus, ereilte jetzt das
übliche Schicksal eines tschechischen Ministerpräsidenten: Rücktritt
nach Korruptionsvorwürfen. Angeblich soll seine Bürochefin und
Geliebte, Jana Nagyova, aufmüpfige Abgeordnete mit lukrativen
Wirtschaftsposten geködert haben. Dass Necas vom Treiben seiner
Vorzimmerdame nichts gewusst haben soll, ist unwahrscheinlich. Der
Regierungschef deckte die attraktive Favoritin seines Herzens
dumm-dreist: Es sei doch normal, dass man sich bei Politikern
erkenntlich zeige, wenn sie einem den Machterhalt sichern. Das ist
Politikermoral an der Moldau. Klaus musste ja auch als
Ministerpräsident zurücktreten, weil seiner Partei unrechtmäßig Geld
zugeflossen war. Als Präsident klaute er bei einem Staatsbesuch in
Chile einen goldenen Füllfederhalter. Da der Diebstahl gefilmt worden
war, log Klaus, man habe ihm den Füller geschenkt. Nun ist Milos
Zeman am Zug. Bevor er sakrosankter Herr auf der Prager Burg wurde,
ist seine politische Laufbahn mit Skandalen gepflastert. Kurz vor der
Vereidigung als Präsident wurde er noch von der Polizei vernommen. In
seiner Amtszeit als Regierungschef wurden die staatlichen
Kohlevorkommen bei Most privatisiert. Es sollen 600 Millionen Euro
Schmiergelder geflossen sein. Wen wundert es, dass Zeman keine Lösung
in der jüngsten Regierungskrise anbieten kann. Er selbst hätte am
liebsten Neuwahlen, muss aber vorerst Petr Necas die
Regierungsgeschäfte weiter führen lassen. Neuwahlen kämen den
tschechischen Sozialdemokraten und den Kommunisten zugute, die Zeman
bei der Präsidentenwahl unterstützt haben. Es fehlt ihnen jedoch im
Abgeordnetenhaus dazu die notwendige Zweidrittel-Mehrheit. Die
Opposition verfügt nur über 93 Mandate. Die Regierungskoalition aus
ODS, Top 09 und LIDEM kann auch nur 98 Abgeordnete aufbieten. Sie
möchte weiter regieren, hat als neuen Premier aber nur
Wirtschaftsminister Martin Kuba anzubieten. Dem ehrgeizigen
Berufspolitiker werden enge Verflechtungen mit der Wirtschaft
nachgesagt. Ihm traut niemand zu, dass er den Korruptionssumpf
trockenlegen könnte. Zeman bleibt als letzter Ausweg, wieder einmal
ein Übergangskabinett aus unabhängigen Fachleuten einzusetzen, bis im
kommenden Jahr regulär Wahlen stattfinden können. Hat die
tschechische Demokratie noch eine Chance? Ja. Das Land besitzt eine
solide Verfassung und trotz aller politischen Einflussnahme eine
intakte Justiz. Die von der EU unterstütze Antikorruptionsbehörde
funktioniert. Was unserem Nachbarn fehlt, das sind Politiker, die
weniger zur eigenen Bereicherung, sondern zum Nutzen der
Allgemeinheit ihr Amt wahrnehmen.
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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
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