Eine Industrie stellt sich neu auf: Deutsche Reeder auf Kooperationskurs
Geschrieben am 20-06-2013 |
Hamburg (ots) - PwC-Studie: Auslastung der Flotten bleibt 2013 auf
niedrigem Niveau / Mehrheit der Reeder sieht keine Markterholung am
Horizont / Schiffe sollen verstärkt gemeinsam finanziert und genutzt
werden
Die deutsche Handelsmarine geht in schwerer See auf
Kooperationskurs: Angesichts anhaltender Unterauslastung setzen immer
mehr Reeder auf eine Zusammenarbeit bis hin zur Gründung von
Plattformen, die Schiffe kaufen und betreiben. Wie aus der nunmehr
fünften jährlichen Branchenumfrage der Wirtschaftsprüfungs- und
Beratungsgesellschaft PwC hervor geht, arbeiten bereits gut 40
Prozent der 100 befragten Reeder in einzelnen Geschäftsbereichen eng
mit anderen Unternehmen zusammen, 50 Prozent wollen in den kommenden
Monaten eine (weitere) Kooperation eingehen.
"Die verstärkte Zusammenarbeit der Reeder ist eine unmittelbare
Reaktion auf das Überangebot an Flottenkapazitäten, dem
resultierenden Preiskampf und der schlechten Ertragslage. Wir gehen
davon aus, dass weitere sogenannte Plattformlösungen entstehen
werden", kommentiert Claus Brandt, Partner und Leiter des maritimen
Kompetenzzentrums bei PwC.
Auch die befragten Reeder gehen von einer fortschreitenden
Konsolidierung der deutschen Branche aus. Gut vier von fünf
Unternehmen rechnen 2013/2014 mit mehr Fusionen und
Zusammenschlüssen, und knapp 90 Prozent der Befragten sind der
Ansicht, dass viele Reedereien das laufende Jahr nicht überstehen
werden. Von den kleineren Unternehmen mit weniger als 100
Mitarbeitern teilen sogar 100 Prozent diese Einschätzung.
Keine Markterholung am Horizont
Die erwartete Konsolidierung hängt eng mit der unbefriedigenden
Marktentwicklung zusammen. So berichten aktuell wie schon 2012 nur
rund 70 Prozent der Reeder über eine voll ausgelastete Flotte, in den
Jahren 2011 und 2010 lag die Quote bei 86 Prozent bzw. 80 Prozent.
Eine schnelle Markterholung ist nicht in Sicht: Derzeit sehen nur
noch 43 Prozent der Reeder ihr Unternehmen auf Wachstumskurs, in der
Umfrage von 2012 sagten dies noch 53 Prozent. Auch die
Branchenperspektiven werden mehrheitlich düster beurteilt. Mit 55
Prozent der Reeder ist ein nahezu ebenso großer Teil der Befragten
wie im Vorjahr (56 Prozent) der Ansicht, dass sich die
Schifffahrtsmärkte nicht kurzfristig erholen werden. An einen
Bedeutungszuwachs der deutschen maritimen Wirtschaft nach dem Ende
der Krise glaubt nur noch einer der hundert befragten Reeder, im Jahr
2012 teilten diese Einschätzung noch fünf Prozent und 2011 immerhin
13 Prozent der Umfrageteilnehmer.
Neue Kapitalquellen
Doch leiden die deutschen Reeder nicht nur unter der schwachen
Nachfrage, sondern auch unter den schwieriger werdenden
Finanzierungsbedingungen. Bei Schiffsfinanzierungen liegt die
geforderte Eigenkapitalquote mittlerweile bei durchschnittlich gut 44
Prozent gegenüber 38 Prozent im Jahr 2009. "Hinzu kommt, dass viele
Kredit- und Kapitalgeber in Deutschland ihr Engagement bei der
Schiffsfinanzierung drosseln oder sogar ganz aufgeben. Selbst
Unternehmen, die die hohen Eigenkapitalforderungen erfüllen können,
bekommen daher nicht immer den gewünschten Kredit", erläutert Brandt.
Dementsprechend sehen sich die Reeder verstärkt nach
Finanzierungsalternativen um. Sieben von zehn Befragten wollen neue
Kapitalquellen erschließen oder auch neue Gesellschafter an Bord
nehmen. Zudem geht die Mehrheit der Unternehmen davon aus, dass
ausländische Geldgeber "sicher" (37 Prozent) oder zumindest
"wahrscheinlich" (53 Prozent) wichtiger werden.
Die Kombination aus schwierigen Markt- und widrigen
Finanzierungsbedingungen dürfte dazu führen, dass die deutsche
Handelsflotte kleiner wird. Schiffsneubauten wollen 2013 nur noch 32
Prozent der Reeder in Auftrag geben (2012: 34 Prozent, 2011: 40
Prozent). Gleichzeitig ist der Anteil der Befragten, die sich von
Schiffen in der Flotte trennen wollen, von 43 Prozent im Jahr 2012
auf aktuell 58 Prozent drastisch gestiegen.
Auf der anderen Seite wird die Restrukturierung der
Schiffs-Portfolios auch von Effizienzargumenten vorangetrieben. Von
den Reedern, die Schiffsneubauten in Auftrag geben, halten 93 Prozent
Investitionen in verbrauchsarme Antriebstechnik und ein möglichst
strömungsgünstiges Design für besonders wichtig. Auf die Realisierung
höherer Transportkapazitäten je Schiff kommt es demgegenüber nur 45
Prozent der Reeder an, Automatisierungstechnik zur Personaleinsparung
ist lediglich für 27 Prozent ein wesentliches Investitionsziel.
EU-Flaggen stärker gefragt
Die Konsolidierungstendenzen in der Branche haben aller
Voraussicht nach auch negative Folgen für die
Beschäftigungsentwicklung. Zwar wollen immer noch vergleichsweise
wenige Reeder Mitarbeiter entlassen, der Anteil der Unternehmen mit
Kündigungsabsichten ist allerdings gegenüber 2012 von 12 Prozent auf
16 Prozent gestiegen. Auf der anderen Seite wollen nur noch 40
Prozent der Unternehmen im laufenden Jahr neues Personal einstellen,
während im Vorjahr noch 51 Prozent diese Absicht äußerten.
Zwar keine Verschlechterung, aber auch keine Trendwende ist beim
Thema Aus- bzw. Rückflaggung in Sicht: 21 Prozent der größeren Reeder
(Jahresumsatz über 100 Millionen Euro) lassen die Mehrheit ihrer
Schiffe unter deutscher Flagge fahren, 2012 lag dieser Wert um einen
Prozentpunkt niedriger. Deutlich gestiegen ist demgegenüber der
Anteil der Unternehmen, die meist zwar eine ausländische Flagge, aber
immerhin die eines EU-Staates auf ihren Schiffen hissen (2013: 29
Prozent der Reeder, 2012: 12 Prozent).
Eine Rückkehr zu den deutschen Farben erscheint derzeit aufgrund
der wirtschaftlichen Lage unwahrscheinlich. Die Bemühungen der
Bundesregierung um eine Rückflaggung halten jedenfalls nur 9 Prozent
der Befragten für ausreichend. Die weitaus meisten Reeder halten die
Maßnahmen allenfalls für teilweise (32 Prozent) oder aber gar nicht
geeignet (59 Prozent).
Weitere Informationen erhalten Sie unter:
www.pwc.de/hochseereederei2013
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