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Börsen-Zeitung: Verquere Logik, Marktkommentar von Christopher Kalbhenn

Geschrieben am 28-06-2013

Frankfurt (ots) - Ein neues Schreckenswort treibt derzeit rund um
den Globus die Akteure an den Finanzmärkten um, und es klingt nicht
gut. Es heißt "tapering", was sich für deutsche Ohren auf den ersten
Eindruck so anhört, als sollte damit verbotenes Zündeln mit
Streichhölzern im ausgedörrten Wald beschrieben werden. Doch diese
Übersetzung täte der Geldpolitik der amerikanischen Notenbank Fed
ebenso Unrecht wie die extreme Unruhe und die heftigen
Kursbewegungen, mit denen die Marktteilnehmer auf den von ihr
signalisierten Kurswechsel reagieren. Tatsächlich bedeutet
"tapering", so ist dem Internet-Wörterbuch Leo zu entnehmen, nichts
anderes als "Reduzieren".

Es ist schon erstaunlich, wie schreckhaft die Märkte auf die
Äußerungen von Fed-Chairman Ben Bernanke vor dem Kongress am 22. Mai
sowie am 19. Juni nach der Sitzung des Offenmarktausschusses der
Notenbank reagiert haben. Denn Bernanke hat zwar eine Art
Ausstiegsszenario aus dem Quantitative Easing (QE), dem Kauf von
Anleihen durch die Fed, präsentiert. Doch war das wirklich eine
Überraschung? Stellte das wirklich einen plötzlichen geldpolitischen
Schwenk dar, wie in dem einen oder anderen Medium zu lesen war?

Schon lange angekündigt

Wohl kaum. Die US-Währungshüter bereiten die Märkte schon seit
geraumer Zeit auf das Ende des QE vor, fanden aber wohl bis vor
kurzem nicht überall Gehör. Schon in der zweiten Jahreshälfte 2012
wurde in einem Tagungsprotokoll des Offenmarktausschusses wie
beiläufig eine Diskussion unter führenden Fed-Vertretern
veröffentlicht und dabei wurden auch Zweifel einzelner
Ausschussmitglieder am Sinn der Anleihekäufe bzw. ihrer Fortführung
erwähnt. Ohne Absicht geschah dies mit Sicherheit nicht.

Die Ankündigungen Bernankes waren aber nicht nur nicht neu. Im
Grunde genommen ist ihr Inhalt auch völlig banal und keineswegs
erstaunlich. Niemand kann ernsthaft annehmen, dass die
außergewöhnlichen Maßnahmen, mit denen die Notenbanken weltweit den
Finanzsystemen und der Realwirtschaft unter die Arme greifen, bis zum
Sankt-Nimmerleins-Tag fortgesetzt werden können. Das kann auch
niemand wollen. Denn abgesehen von dem schädlichen Fehlverhalten, das
durch die Gewöhnung langfristig entstehen würde, würde dies doch
signalisieren, dass die Lage der Wirtschaft und des Finanzsystems so
katastrophal ist, dass es noch viele Jahre lang nicht ohne künstliche
Beatmung geht. Zudem kann kaum ernsthaft unterstellt werden, dass die
Fed ihre Anleihekäufe "ohne Rücksicht auf Verluste" einstellen wird.
Denn das würde die Zielsetzungen von QE - Stabilisierung des
Finanzsystems und Erholung der Konjunktur bzw. Senkung der
Arbeitslosigkeit - konterkarieren. Die Notenbank hat auch
zugesichert, dass sie behutsam vorgehen und auf den Zustand der
Wirtschaft Rücksicht nehmen wird.

Das Verhalten der Märkte folgt einer verqueren Logik. Denn
tatsächlich bedeutet der Kurswechsel der Fed eine gute Nachricht. Die
US-Währungshüter sind überzeugt, dass der Zeitpunkt, an dem das
Finanzsystem und die Wirtschaft robust genug sein werden, um auf
Stützung verzichten zu können, nicht mehr weit weg ist; aus Sicht des
Aktien- und auch des Credit-Markts wahrlich keine beunruhigende
Tatsache. Irrig sind auch Befürchtungen, dass es zu einem starken
Zinsanstieg im langen Laufzeitenbereich kommen wird. Es wird
allenfalls einen moderaten Anstieg geben, zum einen weil die
Leitzinsen noch lange niedrig bleiben werden und zum anderen da das
aktuelle Umfeld keineswegs inflationär ist. Ein moderater Anstieg der
Anleihezinsen stellt lediglich eine Normalisierung dar und hat auch
positive Seiten. Der Anlagenotstand institutioneller Investoren wie
Lebensversicherer und Pensionsfonds wird gemildert; der Druck, das
Anlagerisiko zu erhöhen, wird abnehmen.

Ein Risiko muss allerdings beachtet werden. Es kann nicht ganz
ausgeschlossen werden, dass es im Zuge der geldpolitischen
Veränderung zu Phasen panikartiger Anleiheverkäufe kommt und die
Zinsen dadurch in kurzer Zeit zu hoch steigen. Das könnte gravierende
Folgen für Banken und nicht zuletzt die Peripheriestaaten haben.
Allerdings haben die Fed und andere Notenbanken eben deswegen
kürzlich signalisiert, dass nicht mit einer abrupten und dramatischen
geldpolitischen Wende zu rechnen ist. Damit haben sie gezeigt, dass
sie sich dieses Risikos bewusst sind. Es kann daher in den kommenden
Monaten von einer sehr bedachten Kommunikationspolitik ausgegangen
werden. Außerdem verfügen die Notenbanken über Eingriffsmöglichkeiten
und haben ihre Bereitschaft signalisiert, diese gegebenenfalls auch
einzusetzen.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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