WAZ: Die teuren Wahlversprechen
- Kommentar von Miguel Sanches
Geschrieben am 10-07-2013 |
Essen (ots) - Man kann sich ärgern. Nützt aber nichts. Teure
Versprechen gehören seit jeher zum Ritual der Wahlkämpfe. Die Bürger
nehmen sie selten für bare Münze. Sie werden ohnehin nur mit dem
eigenen (Steuer-)Geld geködert. Man kann schon froh sein, wenn die
Parteien vorher ankündigen, was sie tun wollen, und sich hinterher
auch daran halten. Mitunter ist das zu viel verlangt. Wer erinnert
sich an den Reim, "Merkelsteuer, das wird teuer"? Es ging um die
Mehrwertsteuer, sie sollte um zwei Prozentpunkte steigen. Nach der
Wahl gab es eine Große Koalition - und drei Prozentpunkte. Gestern
hat das Institut der deutschen Wirtschaft vor den Wahlversprechen der
Parteien gewarnt. Die "Analyse" fiel vergröbernd aus; man hört den
Sound des Wahlkampfs. Ein Beispiel: Dass die Mütter mehr Rente
erhalten sollen, könne bis zu 100.000 neue Jobs verhindern. Nanu, die
Rentenkasse ist voll, der Beitrag sinkt, die Pensionäre geben auch
Geld aus und stärken damit die Binnennachfrage. Ob das Jobs kostet?
Gar 100.000? Pure Stimmungsmache. Die Frage der Wahlversprechen ist
die Frage nach dem Mehrwert der Wahrheit. Erfahrungsgemäß lohnen sich
Versprechen, die ungeschminkte Wahrheit lohnt sich nicht. Es gibt
Ausnahmen. Der Wahlerfolg der Sozialdemokraten in Holland war so ein
Ausreißer. Peer Steinbrück verweist gern darauf. Seine SPD will
Steuern erhöhen. Das passt nicht zur Großwetterlage: Die
Staatseinnahmen steigen doch schon! Man kann die Steuern aber
erhöhen, um die Lasten gerechter zu verteilen. Das ist eine ganz
andere Erzählung. Regierungsparteien haben es leichter. Sie kennen
die Kassenlage, versprechen, was sowieso kommt. Sozialdemokrat
Gerhard Schröder hat einst die Pläne der Konkurrenz für eine
Besteuerung der Nachtschichten für Wahlkampfzwecke ausgeschlachtet.
Jetzt ist die Union am Zug, sich am SPD-Programm schadlos zu halten.
Jedes Versprechen muss - nach gewonnener Wahl - den Realitätstest
bestehen. Vorher haben sie in erster Linie ein großes Hetzpotenzial.
Man kann sich ärgern. Nützt aber nichts.
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de
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