DER STANDARD-KOMMENTAR "Alle Häftlinge brauchen Hilfe" von Gerald John
Geschrieben am 11-07-2013 |
Die Gefängnisreform darf sich nicht nur auf die Jugendlichen
beschränken - Ausgabe vom 12.7.2013
Wien (ots) - Österreich ist ein unzivilisiertes Land: Dieses
Urteil bietet sich an, wenn man zum selben Maßstab greift, den einst
Albert Camus angelegt hat. "Wir können den Zivilisationsgrad einer
Gesellschaft nur daran messen", sagte der Philosoph, "indem wir ihre
Gefängnisse besuchen." Die heimische Öffentlichkeit hat dies in den
vergangenen Wochen ausgiebig getan - und Orte der Gewalt gefunden.
Laut Statistik gingen Häftlinge im Vorjahr 272-mal aufeinander los,
doch die Dunkelziffer liegt weit höher. Berichte von Justizbeamten,
Sozialarbeitern und Medien belegen Erniedrigungen, Prügeleien,
Vergewaltigungen - nicht erst seit gestern, sondern seit Jahren. Wenn
diverse Justizminister(innen) nichts oder zu wenig dagegen
unternommen haben, dann deshalb, weil ihnen die Missstände ähnlich
egal waren wie dem Gros der von ihnen repräsentierten Gesellschaft.
Es ist erfreulich, dass die aktuelle Ressortchefin Beatrix Karl ihre
anfängliche Wurschtigkeit abgelegt hat, doch der neu entfachte
Reformeifer hält sich in viel zu engen Grenzen. Die eingerichtete
"Taskforce", die Alternativen zur U-Haft für Jugendliche entwickeln
soll, wie es sie in der Schweiz in Form von WGs gibt, kratzt nur an
einem kleinen Teil des Problems. Gewalterfahrungen mögen für
minderjährige Häftlinge besonders fatale Folgen haben, doch letztlich
geht es dabei um nicht einmal zwei Prozent der Strafgefangenen. Zu
schützen hat der Staat in seiner Obhut auch die erwachsene Mehrheit,
die nicht weniger unter jenen Haftbedingungen leidet, die
Aggressionsausbrüche fördern: Enge, Isolation, Unterbeschäftigung.
Strafanstalten sind keine modrigen Kerker mehr, in denen Gefangene in
Ketten liegen, es gibt Arbeitsmöglichkeiten, Bibliotheken,
Sportplätze und differenzierte Betreuung vom Psychologen bis zum
Arzt. Doch das Angebot ist knapp, Wegsperren nach wie vor ein
Patentrezept. Nur eine kleine Minderheit hinter Gittern kommt in den
Genuss einer Berufsausbildung. Wie die Grünen per Anfrage ans
Ministerium herausfanden, schließen manche Anstalten die Gefangenen
nicht nur bereits ab frühem Nachmittag in den Zellen ein, sondern
schaffen es auch nicht, Ersttäter oder psychisch Kranke vom Rest zu
trennen. Die Auskunft stammt von 2009, doch flächendeckende
Verbesserungen gab es seither offenbar nicht. Der prekäre
Personalstand, der nicht mit den steigenden Häftlingszahlen mithält,
legt eher das Gegenteil nahe. Die Zustände sind nicht nur aus
humanistischen Gründen, wie sie Camus ansprach, untragbar, sondern
auch ein Sicherheitsproblem. Der Strafvollzug wird das Ziel der
Resozialisierung verfehlen, wenn Gefängnisse keine Chance dazu
bieten. Rückfall ist kein unabänderliches Naturgesetz: Von allen
Häftlingen begeht rund die Hälfte später wieder eine Straftat; bei
jenen, die im Häfn eine Berufsausbildung genossen, liegt die Quote
niedriger. Statt punktueller Anlassgesetzgebung ist deshalb eine
breitangelegte Reform nötig. Erstens braucht es Maßnahmen gegen den
Trend, dass trotz statistisch sinkender Kriminalität immer mehr
Menschen im Knast landen - vom Ausbau des Täter-Opfer-Ausgleichs bis
zu einer justizpolitischen Offensive gegen die Ideologie des
Wegsperrens. Zweitens muss die Regierung investieren, um Haft
erträglich zu machen - nicht nur für Jugendliche. Die SPÖ darf sich
da nicht an Karl abputzen: Personelle Engpässe verantwortet das für
die Stellenplanung zuständige Kanzleramt mit.
Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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