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Selbstverwaltung kaltgestellt - Politiker sauer - Patienten leiden / Wie der GKV SV die Versorgung von Schmerzpatienten zugunsten von Rabattvertrags-Prinzipien opfern will

Geschrieben am 17-07-2013

Berlin (ots) - Oft sieht die Politik die Selbstverwaltung in der
Führungsrolle wenn es um Therapieregelungen geht. Bei der Umsetzung
des Rahmenvertrages zwischen Apothekern und GKV-Spitzenverband stellt
sich die Selbstverwaltung derzeit jedoch selbst ein Armutszeugnis
aus. Konkret geht es um den Substitutionsausschluss bestimmter
sensibler Arzneimittel im Rahmen der Austauschpflicht nach § 129,1
SGB-V.

Der politische Auftrag, im Sinne betroffener Patienten eine
entsprechende Ausnahmeliste zu bilden, wird seit Anfang des Jahres
offenbar vom GKV-Spitzenverband blockiert. Das Gerangel um den
fachlich im Prinzip nicht bestreitbaren und notwendigen Schutz
bestimmter Patientengruppen gegen gefährliche Auswirkungen der
Rabattvertragsregelungen treibt inzwischen selbst den Mitgliedern des
Bundestags-Gesundheitsausschusses Zornesröte ins Gesicht. In einer
seltenen fraktionsübergreifenden einstimmigen "Entschließung des
Ausschusses für Gesundheit" fordern die Politiker ABDA und
GKV-Spitzenverband ultimativ auf, die Entscheidung zur
Nicht-Austauschbarkeit bis zum 1. August vorzulegen.

Petitionsergebnis endlich umsetzen

Es geht darum eine eng umgrenzte Gruppe von Arzneimitteln, deren
Austausch sich in der Praxis als problematisch erwiesen hat, von der
Substitutionspflicht in der Apotheke auszunehmen. Einstimmig folgte
der Petitionsausschuss des Bundestages bereits vor zwei Jahren dem
dringenden Antrag der Deutschen Schmerzliga unter ihrer Präsidentin
Dr. Marianne Koch gegen den Austausch hochwirksamer Schmerzmittel
-den Opioiden. Fast 80.000 Petenten hatten schon damals klar gemacht,
welche Gefahren und Schmerzbelastungen auf Patienten zukommen, deren
Therapie durch Austausch ihrer Schmerzmittel aufgrund der
Rabattverträge torpediert wird. Der Auftrag der Politik, dieser
Petition Rechnung zu tragen, soll durch die Ausnahmeliste umgesetzt
werden.

Bis hin zur Suizidgefahr...

Dr. Michael Überall, inzwischen Präsident der Deutschen
Schmerzliga (DSL) und schon damals zusammen mit Marianne Koch
Petitionsführer, klingt verzweifelt: "Es ist schon zynisch, wenn man
hört, dass die Notwendigkeit der Ausnahmeliste angezweifelt wird. Nur
weil die Straßen und Bertriebe nicht voller schreiender
Schmerzpatienten sind. Die Wahrheit ist, dass Schmerzpatienten, die
aufgrund eines Medikamentenwechsels neu eingestellt werden müssen,
meist gar nicht mehr in der Lage sind, ihrer Arbeit nachzugehen oder
sich öffentlich zu beklagen. Allein ich hatte gerade in einer Runde
von 20 Patienten drei, die mir deutlich von Suizidabsichten nach
einer Substitution ihrer Schmerzmittel berichteten."

Dabei ist dem Schmerzmediziner völlig unverständlich, mit welcher
Intention die Ausnahmeliste blockiert wird. Dr. Überall: "Es geht
doch nicht darum, besonders teure Pharmaka zu verordnen. Die
Patienten sollen bei dem Präparat bleiben dürfen, auf das sie
erfolgreich eingestellt wurden, egal, ob dieses ein Generikum oder
ein Originalpräparat ist". Der Schmerzliga-Präsident ist enttäuscht
aber entschlossen: "Sollte das Ergebnis der Petition nicht endlich
umgesetzt werden, werden wir in den nächsten Wochen ordentlich Druck
auf alle Beteiligten ausüben. Wir werden auf allen Ebenen und gezielt
auch in den Regionen kämpfen", so Überall.

Dr. Rolf Koschorrek, Obmann der CDU im Gesundheitsausschuss und
selbst Mediziner, merkt man die Wut über die seit Monaten stehende
Blockade der geforderten Ausnahmeliste förmlich an. "Die sollen
endlich ihre Hausaufgaben machen", so Koschorrek. Man werde
keineswegs akzeptieren, wenn die Selbstverwaltung das Thema an die
Politiker zurückzuspielen versuche. Der Auftrag sei klar und dazu
gehöre auch, dass endlich das Ergebnis der Petition umgesetzt und
Opioide von der Austauschpflicht ausgenommen würden.

Politischer Auftrag ist zu erfüllen

MdB Lars Lindemann (FDP), ist ebenso empört, dass sein
Fraktionskollege Jens Ackermann eigens eine Entschließung beantragen
musste, um Druck auf die Verhandlungspartner ABDA und
GKV-Spitzenverband auszuüben. Lindemann: "Wir hatten die
Verhandlungspartner schon im Frühjahr in dieser Sache bei uns. Es ist
empörend, dass noch immer kein Ergebnis vorliegt. Vielleicht werden
wir uns künftig wohl als erstes damit beschäftigen müssen, dem
GKV-Spitzenverband beizubringen, dass Fristen, die der Gesetzgeber
setzt, auch einzuhalten sind."

Etwaigen Überlegungen, dass es zum 1. August zu einer
"abgespeckten" oder vorläufigen Ausnahmeliste kommen könnte, die
unter Umständen die opioidhaltigen Schmerzmittel ausklammert, tritt
Lindemann deutlich entgegen: "Eine Liste, die die Opioide
ausklammert, erfüllt den Auftrag des Gesetzgebers eindeutig nicht!
Das Ergebnis der Petition war für uns ein wichtiger Grund, diese
Liste zu fordern. Daran gibt es absolut keinen Zweifel."

Unstrittig ist die Frage der Nicht-Austauschbarkeit von Opioiden
offenbar in der pharmakologischen Fachwelt. Andere Länder wie
Dänemark und Schweden schlossen die Substituierbarkeit von Opioiden
bereits vor Jahren aus und aufgrund der aktuellen Diskussionen ist
davon auszugehen, dass die europäische Zulassungsbehörde EMA in ihren
bald erscheinenden neuen Leitlinien einen Substitutionsausschluss von
Opioiden fordern wird.

Schmerzpatienten nicht gut versorgt

Prof. Dr. Henning Blume zählt zu Deutschlands renommiertesten
Pharma-Experten: "Ganz nüchtern muss man feststellen, dass
Schmerzpatienten, deren Präparate auf die sie eingestellt wurden,
substituiert werden, nicht gut versorgt sind. Möglicherweise kommt
man in der Diskussion zwischen Apothekern und Kassen auch deshalb
nicht weiter, weil man sich sklavisch an dem Begriff "enge
therapeutische Breite" festhält. Bei den Opioiden kommt es aber mehr
auf die konstante Freisetzung und rechtzeitige Wirkstoffverfügbarkeit
an. Der Aspekt des konstanten Erreichens eines bestimmten
therapeutischen Effektes wird offensichtlich zu wenig gewürdigt, ist
aber extrem wichtig, damit es nicht zu Durchbruchschmerzen und
weiteren negativen Folgen für den Patienten kommt."



Pressekontakt:
"Koalition gegen den Schmerz", Tel. 030 - 59 00 90 80,
Email: info@vincentz-berlin.de


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