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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Siemens

Geschrieben am 29-07-2013

Bielefeld (ots) - Nun, da er gehen muss, gibt es plötzlich tausend
Gründe, warum Peter Löscher doch nicht der Richtige an der Spitze von
Siemens gewesen ist. Er lasse beim Umbau des größten deutschen
Elektronikkonzerns Zukunftsperspektiven vermissen. Er wälze zwar
viele Zahlen, um den Schrumpfkurs zu begründen. Aber er entwickle
keine Vision. Er spreche nicht die Sprache der 370 000 Siemensianer,
sei humorlos, förmlich und hölzern. Und er sei zu wenig mit anderen
verdrahtet, habe keine Seilschaften. Daran ist manches richtig. Aber
genau aus dem Grund hat Aufsichtsratschef Gerhard Cromme doch den
Österreicher 2007 geholt: Er sollte der neue Besen sein, der mit den
Korruptions- und Schmiergeldaffären aufräumt. Das tat Löscher. Und er
sollte dem Giganten eine schlanke Struktur geben. Auch in der
Hinsicht hat er einiges verändert. Doch die negativen Überschriften
blieben vorherrschend. Immer wieder gab es Schlagzeilen über großen
Personalabbau. Über den Zickzackkurs des einstigen Atomkonzerns in
der Energiefrage. Über technische Mängel und Lieferproblemen etwa bei
Zügen. Über teure Firmenkäufe. Über den holprigen Verkauf der
Lichtsparte Osram. Und - zuletzt ausschlaggebend - über
Gewinnprognosen, die nicht eingehalten werden. Wohl hatten Löschers
Vorgänger Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld, der den Verkauf
mit anschließender Liquidation der einst blühenden Mobilfunksparte an
BenQ zu verantworten hat, größere Entertainment-Qualitäten. Das gilt
erst recht für den Nachfolger Joe Kaeser. Der Finanzmann, der
eigentlich Josef Käser heißt, stahl seinem bisherigen Chef schon in
der Vergangenheit oft die Show, etwa wenn er vor einer
Hauptversammlung seinen Oberlippenbart rasierte, um zu zeigen, dass
nun neue Zeiten bei Siemens anbrechen. Zu denen, die Löscher nicht
trotz, sondern wegen seiner fehlenden Entertainer-Qualitäten schätzt,
gehört Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Siemens-Chef ist einer von
ihren engsten Beratern. Man tut Kaeser dennoch Unrecht, wenn man ihn
nur als »Showman« abqualifiziert. Wer einen Giganten wie Siemens in
die Zukunft führen will, braucht auch kommunikative Fähigkeiten. Die
Mitarbeiter, Aktionäre, Lieferanten und Kunden wollen wissen, warum
Bewährtes aufgegeben wird. Im Interesse der deutschen Wirtschaft ist
zu hoffen, dass der neue Konzernchef diese charismatische Fähigkeit
besitzt. Am Ende geht Peter Löscher, bevor er angekommen ist. Seit
dem Amtsantritt vor sechs Jahren ist er mit Siemens nicht warm
geworden. Er blieb, als was er kam: der erste Chef, der nicht im
Konzern groß geworden ist. Doch warum wurde sein Vertrag noch 2011
vorzeitig verlängert? Eine Antwort darf man nicht nur von
Aufsichtsratschef Gerhard Cromme erwarten, sondern auch von den
Vertretern der Arbeitnehmer, darunter dem Chef der mächtigen IG
Metall, Berthold Huber. Cromme aber wird nach seinem Aus bei Thyssen
Krupp auch den Vorsitz im Siemens-Aufsichtsrat räumen müssen - schon
aus Gründen der Glaubwürdigkeit.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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