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Börsen-Zeitung: Ernüchtert, Kommentar zur geldpolitischen Orientierung des neuen britischen Notenbankchefs Mark Carney, von Carsten Steevens.

Geschrieben am 07-08-2013

Frankfurt (ots) - Welche Erwartungen sind nicht mit Mark Carney
verknüpft worden, seit der Kanadier im vorigen Herbst als erster
Ausländer an die Spitze der fast 320 Jahre alten Bank of England
berufen wurde? Nach der ersten Pressekonferenz des neuen britischen
Notenbankchefs macht sich nun Ernüchterung breit. Die Reaktionen am
Londoner Aktienmarkt deuten an, dass die gegenwärtige Aufregung um
die "Forward Guidance" von Zentralbanken möglicherweise übertrieben
ist.

Die britische Regierung hat den Chef der kanadischen Notenbank auf
die Insel gelockt in der Hoffnung, dass das von diesem bereits
praktizierte kommunikative Einnorden der Marktteilnehmer durch einen
Ausblick auf die künftige Geldpolitik für zusätzliche konjunkturelle
Anreize sorgen könnte. Die Idee: Konsumenten und Unternehmen sollen
in Zeiten, in denen sich Notenbankzinssätze bereits auf äußerst
niedrigem Niveau befinden, größere Gewissheit erlangen, dass nicht
mit einem baldigen Zinsanstieg zu rechnen ist. Die Zusicherung einer
längerfristig expansiven Geldpolitik verfolgt das Ziel, für mehr
Ausgaben und Investitionen zu sorgen. Und die Bindung an einen
Schwellenwert wie die Erwerbslosenquote hat den Charme, dass
geldpolitische Maßnahmen für die Öffentlichkeit leichter verständlich
werden. Die Bank of England verfährt hier wie US-Notenbank Fed, von
der sie sich gleichwohl mit Blick auf den Ausstieg aus der
ultralockeren Geldpolitik und die Zinserwartungen in den Märkten
abzugrenzen versucht.

Die Verluste im FTSE, die jene im Dax gestern in den Schatten
stellten, lassen jedoch darauf schließen, dass die für eine
Institution wie die britische Notenbank revolutionäre neue Strategie
nicht verfängt, wenn die "Guidance" an mehrere schwammig formulierte
Bedingungen geknüpft wird. Dass der Notenbankzins in Großbritannien
bis mindestens 2016 auf dem jetzigen Niveau bleibt, weil die Bank of
England erst dann ihren Erwerbslosen-Schwellenwert für erreichbar
hält, ist angesichts von Hinweisen auf K.O.-Kriterien wie erhöhte
Risiken für die Preis- und Finanzstabilität nicht viel sicherer als
zuvor.

Eher stellt das Versprechen niedriger Zinsen für eine bestimmte
Zeit ein Reputationsrisiko für die Notenbank dar, wenn diese
Ankündigung nicht eingehalten werden kann. Offen bleibt zudem, wie
die Bank of England in einigen Jahren die Abkehr von ihrer
ultralockeren Geldpolitik mit dem Abbau des angekauften riesigen
Anleihebestands verbinden will. Die Märkte haben gestern vom neuen
britischen Notenbankchef nicht viel Neues gehört.

(Börsen-Zeitung, 8.8.2013)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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