WAZ: Die FDP macht sich zum Zwerg
- Kommentar von Ulrich Reitz
Geschrieben am 16-09-2013 |
Essen (ots) - Im April 1998 erschien das Buch "Neuland". Der
damalige FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle beschrieb darin SPD,
CDU und Grüne als staatsgläubige, im Kern sozialdemokratische
Parteien. Dagegen stellte er die FDP als vom Koalitionspartner
unabhängige Kraft dar, eine "liberale Identitätspartei". Helmut Kohl,
Kanzler und Koalitionschef, war stocksauer. Er hatte verstanden: Die
FDP wollte nicht länger willfährig sein, nicht länger bloße
Funktionspartei nach dem Motto: Wer Kohl will, muss FDP wählen.
Gestern hat der Spitzenkandidat der Liberalen, Rai ner Brüderle, die
Parole ausgegeben: Wer Merkel will, muss FDP wählen. Einmal abgesehen
davon, dass dies nicht stimmt - es ist eine Kapitulation. Es ist die
pure Panik nach dem bayerischen Liberalen-Fiasko. Es ist der
kleinlaute Rückfall hinter die selbstbewusste Westerwelle-Zeit (die
auch nicht frei war von abstrusen Übertreibungen). Nicht einmal die
Liberalen selbst trauen sich offensichtlich zu, als Liberale zu
überzeugen. Sie sehen ihre Funktion vornehmlich darin, Merkel zur
Neuauflage ihrer Kanzlerschaft zu verhelfen. Das Schlimme daran ist:
Sie könnten recht haben mit der Selbstdiagnose.
In den vergangenen vier Jahren hat die FDP viel verhindert und
nichts gestaltet, nichts Großes jedenfalls. Die Steuerpolitik - ein
großes Nichts. Verhindert wurden Vorratsdatenspeicherung,
Lebensleistungs- und Mütterrente. Das Durcheinander nach der
ausgerufenen, aber nicht umgesetzten Energiewende hat die FDP
"bereichert" um die Blockade zwischen dem christdemokratischen
Umwelt- und dem liberalen Wirtschaftsminister. Merkels ideeller
Diebestour durchs linke Programm haben die Liberalen so gut wie
nichts entgegengesetzt. Weshalb also sollte man die FDP wählen?
Das Argument, hinreichend viele Menschen könnten sich Deutschland
ohne eine liberale Partei nicht vorstellen, setzt eine hinreichend
liberale Partei voraus. Souverän, selbstbewusst, gut gelaunt, mit
ein, zwei prima Ideen von einem prima Chef für eine gute Zukunft
Deutschlands. Wer auf das Mitleid seiner Wähler setzt, verzwergt sich
selbst.
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de
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