Westfalen-Blatt: das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zur SPD
Geschrieben am 24-09-2013 |
Bielefeld (ots) - Am Morgen nach der langen Wahlnacht klingelte um
9 Uhr das Telefon bei Sigmar Gabriel. Aber der SPD-Chef ging nicht
dran. Nein, es war kein böser Traum des obersten Genossen. Die
Bundeskanzlerin war am Telefon, um das »Gespenst« Große Koalition mit
ihm zu besprechen . . . Zum Lachen wird Sigmar Gabriel derzeit nicht
zumute sein. Der Gedanke an die Große Koalition quält ihn wohl so
sehr, dass er am liebsten gar nicht mehr ans Telefon gehen möchte,
wenn die Kanzlerin nochmal anruft. Aber ganz im Ernst: Soll man die
SPD nun beglückwünschen, dass sie nach dem Aus der FDP möglicherweise
für eine Regierung gebraucht wird, oder ihr das Bedauern aussprechen,
weil sie in einer Großen Koalition das nächste Opfer der
Bundeskanzlerin werden könnte? Juniorpartner in einer Regierung
Merkel zu werden, wäre vor allem für den linken Flügel der Partei
eine Katastrophe. Sich jetzt aber aus der Verantwortung
herauszustehlen und als Verweigerer dazustehen, ist auch nicht viel
besser. Vielleicht wäre es für die Sozialdemokraten vorteilhafter
gewesen, die Union hätte die absolute Mehrheit erreicht. Aber hätte,
hätte Fahrradkette . . , würde Peer Steinbrück jetzt sagen. Der
Klartext, wie es mit der SPD weitergeht, ist dem Kandidaten und der
Partei über die schmerzliche Wahl wohl etwas verloren gegangen.
Keiner weiß ganz genau, was jetzt richtig ist. Da spricht der starke
NRW-Landesverband bereits davon, dass »Opposition keine Schande wäre«
(Hannelore Kraft), obwohl sie ja nach dem legendären Zitat des
Alt-Genossen Franz Müntefering seit Jahren eigentlich »Mist« ist. Ja,
was denn nun? Bevor die SPD darüber befindet, ob sie für eine Große
Koalition zur Verfügung steht, muss sie ein paar Grundsatzfragen
klären: Wer sind wir? Wo stehen wir? Und wo wollen wir hin? Solange
das nicht geklärt sind, wird die SPD nicht zur Ruhe kommen. Das
Problem gibt es ja nicht erst seit der Wahl, sondern eigentlich seit
der Hartz-IV-Gesetzgebung, die Gerhard Schröder seiner Partei trotz
massiver Widerstände der Basis zugemutet hat. Und ausgerechnet in
ihrem Jubiläumsjahr steht die SPD erneut vor einer Zerreißprobe. Am
Ende wird entscheidend sein, ob die SPD eine Partei der Mitte sein
will oder künftig für eine klassisch linke Politik der Umverteilung
steht. Beides geht nicht. Nach dem zweitschlechtesten Ergebnis ihrer
Nachkriegsgeschichte muss sich die SPD bekennen. Will sie nach links,
dann sollte sie die Große Koalition absagen und das auch klar
kommunizieren. Die Alternative ist, Juniorpartner in einer
bärenstarken Merkel-Regierung zu werden - dann aber mit Peer
Steinbrück als Vizekanzler. Bis zum Parteikonvent wird man sich
gedulden müssen, welchen Weg die Partei geht. Folgt sie Sigmar
Gabriels Motto »Erst das Land, dann die Partei« könnte das für die
SPD langfristig zum Rohrkrepierer werden.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
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