Allg. Zeitung Mainz: Lagerdenken ade / Kommentar zu Koalitionsoptionen
Geschrieben am 30-09-2013 |
Mainz (ots) - Demokratie ist diejenige Staatsform, die am meisten
Geduld braucht. Die äußerst zähen Fortschritte, aus einem klaren
Wahlergebnis heraus zu einer neuen Regierung zu gelangen, beweist das
anschaulich. Die einen (Grüne) sind zurzeit nicht handlungsfähig, die
anderen (SPD) müssen erst einmal ihre Angst vor der Verantwortung
vertreiben. Die unvermeidlichen parteitaktischen Manöver brauchen
zudem ihre Zeit. Nicht minder bedeutend wie die Bildung der nächsten
Regierung sind allerdings die Vorbereitungen auf die übernächste.
Denn fast alle Konstellationen, die diesmal zu Recht als
unrealistisch verworfen werden, werden bei der nächsten
Bundestagswahl - sei es in zwei oder in vier Jahren - nicht mehr tabu
sein. Da niemand dafür garantieren kann, dass die FDP bei den
nächsten Landtags- und Bundestagswahlen wieder in die Parlamente
kommt und die AfD wieder draußen bleibt, ist das Lagerdenken
Schwarz-Gelb versus Rot-Grün in eine Sackgasse gelangt.
Nie mehr in Gefangenschaft
Die SPD ist im Bund und in Hessen ganz sicher zum letzten Mal in
zwei Wahlen gegangen, in der sie Rot-Rot-Grün ausgeschlossen hat.
Wenn die Linke ein solches Bündnis möglich machen will, das im neuen
Bundestag eine Mehrheit hat, wird sie sich allerdings in der Europa-
und in der Verteidigungspolitik massiv bewegen müssen. Auch die
Grünen werden jetzt sehr schnell begreifen, dass sie die Option
Schwarz-Grün nicht länger ausschließen können, wenn sie den
ökologischen Wandel der Republik gestalten und nicht nur von den
Oppositionsbänken aus beeinflussen wollen. Hierzu braucht es aber
offenbar nicht nur den personellen Wechsel an der Spitze der Grünen,
sondern zunächst auch ein erfolgreiches Projekt in einem der
(Flächen)Länder. Die Liberalen wiederum werden das allerletzte Mal in
ihrer Parteigeschichte mit einer Zweitstimmenkampagne in eine Wahl
gegangen sein. Für eine Rückkehr können sie nur auf ihre
Eigenständigkeit setzen. Wenn ihnen dieser Schritt gelingt, werden
sie sich wohl nie mehr in die schwarz-gelbe Gefangenschaft begeben.
Warum auch sollte die neue Generation der FDP-Politiker
Ampelbündnisse ausschließen. Die langfristige Bedeutung dieser Wahl
liegt also darin, dass die Konfrontationsstellung zwischen dem
sogenannten bürgerlichen und dem sogenannten linken Lager knapp 25
Jahre nach der deutschen Einheit endgültig aufgebrochen worden ist.
Pressekontakt:
Allgemeine Zeitung Mainz
Florian Giezewski
Regionalmanager
Telefon: 06131/485817
desk-zentral@vrm.de
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