Westdeutsche Zeitung: Seehofers gezielte Indiskretion =
von Lothar Leuschen
Geschrieben am 07-10-2013 |
Düsseldorf (ots) - Einem alten Fahrensmann wie Horst Seehofer
rutscht nichts heraus. Er hat kühl kalkuliert, als er das Treffen mit
CDU-Chefin Angela Merkel, SPD-Chef Sigmar Gabriel und ihm selbst
ausplauderte. Das Trio berät also am Freitag, wie es eine große
Koalition bilden kann, ohne dass die SPD ihr Gesicht verliert und die
Union zu viel von dem preisgeben muss, was sie ihren Wählern
versprach. Wie die Parteichefs diese Quadratur des Kreises vollführen
wollen, dürfte noch sehr spannend werden. Dass sie es versuchen
wollen, scheint hingegen nun gewiss zu sein. Denn Horst Seehofer will
es so. Sonst hätte er nicht geplaudert. Es gehört zwar eigentlich zum
guten Ton, dass Politiker zuweilen auch einmal etwas für sich
behalten können, vor allem, wenn es um Koalitionen geht. Aber
bayrischen Politikern ist das Hemd näher als der Rock, wenn es um
Eigeninteressen geht. Das hat seit Franz-Josef Strauß Tradition.
Auf seine Art ist Seehofer mit der absoluten Mehrheit in der
Landtagswahl in die Fußstapfen des CSU-Übervaters getreten. Und
ebenso wenig, wie Schwarz-Grün unter Strauß vorstellbar gewesen wäre,
will sich Seehofer mit Leuten wie vielleicht Özdemir, Peter oder
Hofreiter an einen Tisch setzen. Das hat er vor der Wahl gesagt, das
hat er nach der Wahl gesagt, und nun weiß es auch der letzte Grüne,
ehe die Union am Donnerstag Sondierungsgespräche mit der Ökopartei
aufnimmt. Das ist Polittaktik, sie wird ihren Zweck wahrscheinlich
nicht verfehlen.
Die Frage ist nur, ob Seehofer seinen Farben mit dieser gezielten
Indiskretion einen Gefallen getan hat. Denn nun wissen auch die
Verhandler der SPD, dass die Union sehr auf ein Bündnis mit der
Sozialdemokratie setzt. Das gibt jenen in der SPD Hoffnung, die
bisher dachten, in einer Koalition mit Angela Merkel werde die
einstige Volkspartei endgültig auf Grünenniveau geschrumpft.
Plötzlich aber scheint es nicht mehr unmöglich zu sein, mit CDU und
CSU in Deutschland einen flächendeckenden Mindestlohn einzuführen.
Den hat die Union bisher mit dem Hinweis auf die Autonomie der
Tarifparteien abgelehnt. Aber gegen eine Pkw-Maut für Ausländer ließe
Seehofer sich womöglich umstimmen. Von den Grünen bekäme er die
Zustimmung nie und nimmer.
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Westdeutsche Zeitung
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