DER STANDARD-Kommentar: "Unüberbietbarer Zynismus" von Alexandra Föderl-Schmid
Geschrieben am 11-10-2013 |
Europa braucht neue Flüchtlingspolitik und faire Aufteilung
statt "Schotten dicht", Ausgabe vom 12./13. 10. 2013
Wien (ots) - Dreihundert Flüchtlinge sind vor Lampedusa ertrunken.
Und was macht Europa nach dem ersten Schock? Die Innenminister legten
fest: An den Regeln der Asyl- und Flüchtlingspolitik und der
Aufteilung von Asylsuchenden auf die Mitgliedsländer wird nichts
geändert. Das EU-Parlament beschloss ein 240 Millionen Euro teures
Big-Brother-System zur besseren Überwachung der Außengrenzen -
inklusive Einsatz von Drohnen und Satelliten. Die 155 Überlebenden
des Schiffsunglücks werden in Italien - wie es das sogenannte
Bossi-Fini-Gesetz vorsieht - angezeigt. Ihnen drohen 5000 Euro
Geldstrafe oder 18 Monate Haft. Einem Fischer, der 46 Menschen aus
dem Meer gerettet hatte, wurde das Boot beschlagnahmt.
Wie die EU bisher reagiert hat, zeugt von Ignoranz und ist eine
Schande. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 20.000 Menschen bei
dem Versuch umgekommen sind, über die Meere Richtung Europa zu
gelangen. Das ist eine humanitäre Katastrophe, an der die Europäer
Mitschuld tragen.
Es gilt, an mehreren Punkten gleichzeitig anzusetzen. Italien
sollte schleunigst ein neues Asylgesetz beschließen, das Hilfe für in
Seenot geratene Flüchtlinge nicht mehr unter Strafe stellt. Die
EU-Staaten müssen zu einer faireren Verteilung der Flüchtlingsströme
kommen. Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sträubte
sich genauso wie ihr deutscher Amtskollege gegen eine gerechtere
Verteilung der Flüchtlinge. Die sogenannte Drittstaatenregelung ist
unsolidarisch: Jeder Flüchtling kann seinen Asylantrag nur in dem
Land stellen, in dem er die Union betreten hat. Das führt dazu, dass
die Hauptlast der Flüchtlingsströme vor allem in Griechenland, in
Spanien und Italien liegt.
In Griechenland sind die Zustände in den völlig überfüllten Lagern
katastrophal. 2011 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
geurteilt, dass Flüchtlinge wegen des "dortigen mangelhaften
Asylsystems sowie der dortigen Haft- und Lebensbedingungen" nicht
nach Griechenland abgeschoben werden dürfen. Der österreichische
Verfassungsgerichtshof hat sich darauf bezogen - seither werden keine
Flüchtlinge mehr nach Griechenland abgeschoben. Geholfen wird diesen
Ländern bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme kaum.
Angesichts der fehlenden Möglichkeit, im Heimatland Asyl zu
beantragen oder ein Visum für eine legale Einreise zu bekommen, gibt
es nur die Möglichkeit, mittels Schleppern illegal nach Europa
einzureisen. Damit sie sich erst gar nicht auf diesen Weg einlassen,
müssten diese Menschen die Möglichkeit erhalten, in diplomatischen
Vertretungen europäischer Länder in ihrer Heimat Anträge stellen zu
können. Europa braucht geregelte Zuwanderung, auch Arbeitskräfte.
Warum gibt es nicht die Möglichkeit befristeter Arbeits- und
Aufenthaltsbewilligungen? Es ist beschämend, dass Österreich als
zehntreichstes Land weltweit die Entwicklungshilfe weiter gekürzt hat
- auf 0,28 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wenn Innenministerin
Mikl-Leitner in der ZiB 2 die Beteiligung an Grenzsicherungen als
"humanitäre Aktion" bezeichnet, ist das an Zynismus kaum noch zu
überbieten. Das ist genauso verantwortungslos wie die
Schleppervorwürfe an die ehemaligen Votivkirchenflüchtlinge, die sie
inzwischen zurückgenommen hat. Wer Flüchtlingsströme verhindern will,
muss bei den Ursachen beginnen. Österreich kann sich nicht
davonstehlen.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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